selbstverständlich die Direktion und das ganze Theater und Shakespeare und Hamlet, als im Augenblick erreichbares Opfer zumal den Logenschließer verantwortlich.
Zwei würdige Frauen saßen in der zehnten Parkettreihe. Sie saßen auf Vereinsplätzen zu ermäßigtem Preise.
Frau Büllemann mit gedämpfter Stimme (man verstand auf dem zweiten Rang jedes Wort): „Sitzen da vorne in der ersten Reihe nicht Direktors, von der Ecke ab der achte und neunte Sitz?“
Ihre Nachbarin, Frau Klemmschraub, erhob sich, wie eine Henne den Kopf vorstreckend, ein wenig von ihrem Sitz: „Die dürfen natürlich nicht fehlen. Ausgerechnet in der ersten Reihe. Sie hat ja ihr grünes Kleid nicht an. Leihen Sie mir doch, bitte, mal Ihr Glas!“
Frau Büllemann schaute selbst durch ihr Opernglas nach Frau Direktor Kunkel hinüber: „Das ist das Fraisefarbene vom vergangenen Jahr. Sie hat nur einen neuen Einsatz drin!“
Frau Klemmschraub wippte vor Ungeduld mit den Beinen und nahm schließlich Frau Büllemann das Opernglas vom Gesicht weg: „Gott ist das Stehbörtchen hoch für den kurzen Hals. Das Grüne kleidet sie unbedingt besser, sie sah viel stattlicher aus. Wir sind auf Donnerstag bei Kunkels zum Diner eingeladen, Geheimrats und Majors kommen auch. Sind Sie auch eingeladen?“
„Geben Sie mir endlich mein Glas wieder,“ war die spitzige Antwort, „ich habe das Glas für mich mitgebracht.“ Sie war nämlich bei Direktor Kunkel nicht eingeladen.
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/103&oldid=- (Version vom 1.8.2018)