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 III. Der tragende Grund des Wesens war die heilsame und wachsame Gottesfurcht, die nicht in knechtlicher Weise bebt, daß der Herr kommen könne, sondern in kindlicher Sorge fürchtet, daß der Vater gehen möchte. Von Jugend auf an Gott gewiesen, frühe verwaist, aber mit dem Andenken eines treuen Vaters gesegnet, der sein Leben der Herde geopfert hatte, Sohn einer frommen, gebetsstarken Mutter, „Schüler ernster Lehrer, deren Gebete ihn trugen,“ hat er gestrebt, vor Gott zu wandeln. Aber er machte nicht Viel Aufhebens von seiner Frömmigkeit, er war und blieb bei allem Wachsen in der Gottseligkeit „wie ein Gras, das auf niemand harrt“. Seine Gottesfurcht war nicht gesetzlich – „es gibt Bekehrungen, die leicht zu Heterodoxien führen“, sondern aus der kindlichen Unmittelbarkeit des von seiner Jugend an auf Gott geworfenen Gemüts. „Wo ich geh’, sitz’ und steh’, laß mich dich erblicken und vor dir mich bücken.“ Denn Gott war ihm nicht eine abgeblaßte Begrifflichkeit, ein Bild, das uns gleich sei, in das man das Seine legt, Wunsch und Wille, Belieben und Begehren, um dann schwärmerisch zu beten „dein Wille geschehe“; sondern Gott war ihm der Vater unseres Herrn Jesu Christi und darum der rechte Vater über alles, was Kinder heißt. Und zu diesem Gott, der ihn aus schwerer Jugendkrankheit errettet und ihm die Gewißheit Luthers ins Herz gegeben hatte: Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen (Ps. 118, 17), konnte er beten, wie ein liebes Kind zu seinem lieben Vater. „Der Wille war folgsam, aber im Verstande war mancher Zweifel.“ Aber das einfache Gebet, das „nicht abläßt, bis der himmlische Vater selbst beurlaubt“, hielt ihn aufrecht und ließ ihn durchdringen und das Feld behalten. Er war ein Beter, weil er täglich sich starb, von sich ab und auf Jesum hinsah, dessen Leiden nicht spielerisch auszumalen, sondern innig und stetig zu betrachten ihm Anliegen war. „O Welt sieh hier dein Leben,“ daß er auch zu dieser Welt gehöre und daß dieses ihr Leben auch ihm an gehöre, das machte ihn traurig und froh zumal. Er wuchs in die Gnade hinein, „einen guten Grund hat mir der Verkehr mit meinem Gott gegeben“. Darum ward er, der vor Gott zeitlebens ein Kind war, vor Menschen ein Mann, den nichts beugt als das Elend, und nichts erschreckt als die Sünde.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Albrecht Bengel. Verlag der Evang. Gesellschaft, Stuttgart 1916, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Albrecht_Bengel.pdf/8&oldid=- (Version vom 9.9.2016)