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 Aus dieser Kraft hat Jesus die Welt überwunden, in dieser Gabe will er jedem Kampfe beistehen, der gegen das Fleisch sich aufmacht und es sich ernst sein läßt, zu überwinden. Niemand ist in diesem Kampfe allein, denn mit ihm ist der, welcher ins Fleisch kam, um allen zu helfen, welche von ihm versucht werden.

 Du hast es gegeben, darum kann es niemand nehmen. Darum will auch der Sohn weiter geben. Wie oft klingt durch diese Abschiedsreden das Wort, in dem die größte Wohltat liegt, so daß der Apostel als eine Rede seines Herrn anführen kann: Geben ist seliger als nehmen.

 Der Vater gibt und wird nicht arm, der Sohn gibt und gibt sich nicht aus, die Jünger dürfen geben. Alles Geben macht reich, denn es hat Genuß der Freude am Besitze, der erst in seiner Größe erscheint, wenn er andre bereichert.


Auf daß er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast.

 Wer aber sich Jesu erschließt, empfängt nicht nur Stärkung im Kampfe und Hilfe in dem, was ihn bedrängt, sondern die Kräfte, welche den Kampf immer mehr zurücktreten lassen und schließlich das ganze Leben zu einem wahrhaft des Lebens werten erheben. So schwer der Gedanke sein müßte, in fortwährendem Streite aussichtsloser Dauer die Kraft ohne Nutzen zu verzehren und zu zerreiben, so tröstlich ist die gewisse Zuversicht, daß jeder, den Gott an den Lebensfürsten gewiesen und der diesem seligen Zuge des Vaters zum Sohne sich geöffnet hat, ewiges Leben habe. Denn wo Jesus einkehrt, weil man ihn ruft, und ohne ihn nicht sein will und sein kann, da kommt ein Leben mit, das die Wahrheit von alle dem ist, was wir als Leben ahnen, Reinheit der Gedanken, die sich nimmer verklagen und entschuldigen müssen, sondern auf eines gerichtet sind, daß sie vor Gott bestehen und ganz in ihm und seiner Klarheit stehen möchten. Denn wo die Seele nur den einen Gedanken hat, daß sie vor und bei dem bleibe, der sie geschaffen und zu sich gezogen und für sich bestimmt, hat, da kehrt eine große, siegreiche und selige Kraft ein, die alles Widrige vertilgt und alles Kleinliche vertreibt. Die Seele ist in dem Gotte ihres Lebens frei geworden. So wird jede Äußerung ihres Lebens nicht Raub an ihm und Minderung, wie es die Sünde tut, sondern neue Stärkung und große Ermutigung. Was aus dem Leben von Gott und in ihm ausströmt, das strömt als Leben wieder zurück. Wie unbedeutend ist ein Wort, schneller verhallt als gesagt, und wie groß ist seine Wirksamkeit, wie bedeutsam seine Wirkung. Von der Hölle entzündet setzt es viel blühendes edles Leben in Gefahr, verdirbt und verheert, zerstört und hält auf. Es brennt in die Tiefe und entfacht dort die Glut der Leidenschaften, des Zorns und der Rache, der wilden Begehrlichkeit und des bittren Neides. Es schlägt in die Höhe und verheert manch hohes Glück.