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wem Zeit wie Ewigkeit und Ewigkeit wie Zeit ist (Jakob Böhme), der ist befreit von allem Streit. Werden und Gewordensein, Anfang und Ausgang der Geschichte, Sein und Sosein des armen Menschen-Ich beschäftigt den ewigen Gott also, daß er diesen Armseligkeiten seinen eingeborenen Sohn gab. Und uns sollte nicht jede Stunde, da wir Armen mit diesem Wunder uns beschäftigen, zur Kraft und Freude der Ewigkeit werden? Wenn ein geringes Sein den ewigen Gott ganz beansprucht, wie könnte dieses Erdenleben ausreichen, um ihm gerecht zu werden?

 Nein, das ist ewiges, wirkliches, wahres Leben voll Gnade und Licht, voll Kraft und Reichtum, da die Seele nach dem fragt, der zuerst nach ihr fragte, und den sucht, der sie aus lauter Liebe gesucht und zu sich gezogen hat. Dann ist Zeit Vorwegnahme der Ewigkeit und diese ihre Erfüllung.

 Die Kleinlichkeiten und Ärmlichkeiten brauchen das Leben auf und geben ihm nichts, verdunkeln den Blick und verengen das Herz. Geistlich gesinnt sein ist Leben, irdisch gesinnt sein ist der Tod. Denn es ist die Freude an dem Vergänglichen ohne Ausblick auf das Bleibende und darum der Tod durch das Vergängliche.

 Aber mit dem Heimweh, das stark macht, die Gewißheit der Heimat verbinden, das ist Leben der Ewigkeit, die nichts klein erscheinen läßt, was wir für ihn tun sollen, bis das Größte und das Kleinste sich in der Größe der Ewigkeit verklärt geeinigt haben.


Ich habe dich verklärt auf Erden.

 Jesus hat um seiner selbst Verklärung gebeten, damit seine Krönung des Vaters Treue erweise, und seine Herrlichkeit des Vaters Größe verherrliche. Nun aber sieht er von dem über die Erde hinausgehenden Gebete, das in die Zukunft hinausweist, auf den Ertrag der Arbeit zurück. Welch wundersamer Glaube dessen, der klar in die Dinge sieht und wahr über sie spricht! Ich habe dich verklärt. Wie wenigen ist durch Jesu Dienst Gottes Wesen näher gebracht, Gottes Wille teurer gemacht worden! Etliche Fischer und Zöllner, einige geringe Frauen, die Hilfe suchten und den Helfer fanden: das war die Gemeinde, in deren Mitte Gottes Herrlichkeit groß geworden war. Eine arme Gemeinde und in ihr eine arme Herrlichkeit!

 Der Mensch sieht, was vor Augen ist, und mißt das Wesen der Dinge nach ihrer Erscheinung. Was in die Augen fällt, das allein ist ihm Erfolg, und verborgen bleibender Erfolg gilt ihm nichts. Aber Jesus weiß, was er der Erde getan und dadurch dem Vater zugebracht hat. Mit der leidenden und verwaisten Welt, die immer weiter von dem sich entfernt, der ihren Frieden und ihr Heil will, hat er Gott versöhnt und den über die Welt trauernden und erzürnten Herrn durch Darbringung seines Opfers in der Majestät seines schmerzlichen Zorns wie seiner verzeihenden und erlassenden Huld dargestellt.