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Diese Tat der größten Treue, die das Verlorene sucht und es mit seinem Eigentümer durch das schwerste Opfer wieder vereinen will, hat den Himmel erschlossen und den Vater verklärt, wenn auch nur wenige beides sahen.

 Aber in die Erde war doch nach Stand und Wesen das Neue eingesenkt, die Opfergüte des Vaters, die Opferliebe des Sohnes. Es hatte eine kurze Weile das Weizenkorn zu neuem und ewigem Leben der Erde sich anvertraut, um der Anfang einer ewigen Ernte zu werden.

 So groß denkt Jesus Christus von dem Neuen, was er gebracht hat, von dessen Wachsfähigkeit und gewissen Zukunft, daß er die Verklärung des Vaters bei und in dem ersten Strahl der in seiner Menschwerdung aufgegangenen Gnadensonne erblickt. Nun wird diese Gnade langsam, mit vielem Aufhalt und unter schweren Kämpfen zwar, aber durch die ihr innewohnende Kraft gewiß das Alte überwinden und in die Macht der Sünde ihre Übermächtigkeit hineinstellen, in das Todesbereich die Lebensgewalt geben, daß überall und zu allen Zeiten und durch alles Leid hindurch in Wahrheit das Bekenntnis erschalle: Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen!

 Diese selige Hoffnungskraft Jesu soll seine Knechte an schweren Tagen der Verzagtheit, in der bittren Stunde der Verlassenheit, wenn all ihr Tun ohnmächtig und nichtig sich erweist, über sich selbst hinausheben: Ich habe verklärt, was fragt, klagt ihr, als ob ihr es müßtet, was vermeßt ihr euch, als ob ihr es könntet? Es ist alles geschehen und darum soll es werden: meinem Anfang wird Fortgang und Ausgang entsprechen. Was ist der Knecht unruhig, wenn der Herr, der alles übersieht, die Tiefen der Nacht und die Höhen des Lichts, getrost ist? Was sorgt der Mensch, wenn der Menschensohn die Sorge in Segen gewandelt hat? –

 Mit keinem Amte hat sich Christi persönliche Zusprache und Ermutigung so zusammengeschlossen als mit dem geistlichen, dem er in seine Reichsgedanken Einblick, in ihre endliche Verwirklichung Ausblick gewährt. Darum sollen und dürfen wir getrost sein und nicht verzagen, wenn die Nacht zu herrschen und die Herrlichkeit Gottes zu verbleichen und zu vergehen scheint.

 Das „Ich“ mußt du groß schreiben, – wie oft dringt dieses Lutherwort an die geängstete Seele. Und ist’s auch nur ein Stäublein. „Aus einem Stäublein hat Gott die Welt gemacht.“ Und die in dunklen Stunden von Luther oft beliebte Schrift: Vivit, er lebt – muß uns ins Herz leuchten.

 Weil und wenn Er lebt, so muß alles zu Ehren kommen, in dem, von dem, für das er lebt. Im Gehorsam lebt er vom Willen des Vaters für dessen Werk.

 „Jetzt hat alles sein Werkeltagskleid an. Aber es kommt die Zeit, wo alles sein Osterkleid und Pfingstkleid anlegen wird.“ Dann