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greifen und reichen zu den Höhen der Ewigkeit. Immer mehr tritt das Tun des Herrn vor dem Los der Seinen, besser noch die Person des Herrn vor den Seinen zurück.

 Wie Großes ist an ihnen geschehen! Menschen, deren Augen stumpf und deren Sinne verblendet sind, die sich der Täuschung anheimgegeben und dem Irrtum gedient haben, zerstreuten und vergeßlichen Menschen, in deren Herzen so wenig hastete, hat Jesus, weil er sie von seinem Vater zugewiesen erhalten hatte, den Namen Gottes geoffenbart. Was und so oft er mit ihnen sprach, so ging die Rede auf den Vater. Seine Größe und Herrlichkeit, seine Gerechtigkeit und Heiligkeit, seinen verborgenen Rat und Willen offenbart er den Seinen, die gleichwohl gedankenarm bitten konnten: Zeige uns den Vater!

 Der Name des Vaters war ihnen ja von Jugend auf bekannt. Wohl achtmal nennt ihn das Alte Testament so und weist in Vergleichen auf das väterliche Tun hin. Und mit welchem Ernste ward dieser Name umhegt!

 Aber je mehr er geschützt ward, desto mehr verlor er an Wärme, was er an äußerer Weihe gewann. Ein erstarrtes Gleichnis, ein toter Begriff war aus dem lebensvollsten Vaternamen geworden! Da hat Jesus die Seinen in die Tiefe des Namens Gottes eingeführt als in den wundersamen Lebenskreis und den wonnesamen Lebensgehalt dessen, den wir im großen Gebete „nicht als Hochgeborne, aber als Wiedergeborne“ unsren Vater nennen, „Das ist gar eine freundliche, süße, tiefe und herzliche Rede“ (Luther). Und seitdem klingt über hundertmal der Vatername durchs Neue Testament.

 Die Menschen, deren Sinn nach dem Ewigen steht, erhalten immer wieder die Offenbarung, die froh und frei macht, daß über ihnen kein launisches, willkürliches Ungefähr ziellos und zwecklos schaltet, noch ein ehernes kaltes Ungetüm über ihnen ragt, das sie unter seinen Rädern mitleidslos begräbt, sondern der waltet, von dem alle Vatertreue, die das Erdenelend verklärt, ihr Urbild und Vorbild empfängt, der rechte Vater, weil der Vater unsers Herren Jesu Christi.

 So fällt mitten in die Welt ein heller Schein, und durch alle Irrwege leuchtet ein klarer Stern, durch alle Mißklänge und durch das Geläut der Sterbeglocken tönt und dringt das teure Vaterwort. Mitten in der Welt sind Menschen ihr fremd, werden von ihrer Sprache nimmer angelockt, von ihren Interessen nimmer bestimmt noch beherrscht, sondern tragen nur Eines im Herzen, daß sie nicht von der Welt sein möchten.

 „Aus der Welt gegeben.“ Was ist größer und köstlicher für den Menschen als diese selige Auswahl nicht der ewigen Vorherbestimmung, sondern der göttlichen Zustimmung zum Wollen des Menschen? Es sind nicht Große, aber zu Größtem berufen, nicht Edle, aber mit Edelstem bedacht, nicht Gelehrte und Begabte, aber zum