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ganzen heiligen Lebens für die Seinen. Er hat nicht nur das Vorbild der Hirtentreue sein wollen, die allen nachgeht und den einzelnen nicht versäumt, nicht nur der Arbeitgeber sein mögen, der in die Ernte sendet, er hat seine ganze Person zum Opfer gegeben, damit durch sein einmaliges und vollkommnes Opfer die Seinen von aller Hemmung der Selbstsucht und allen Banden der Sünde befreit würden. Er gibt sich in den Tod zu einem Lösegeld für viele, die er durch seine Gebundenheit befreit, durch seine Schwachheit stärkt, durch seine Hingabe erhöht. Von dem Tage an, da er am Kreuze sein Leben in den Tod senkt, kennt die Welt die volle, reiche, einzigartige Hingabe des getreuen Knechtes nicht nur an seinen himmlischen Vater, dessen Willen zu tun bis in die Stunden der Gottverlassenheit sein Leben und dessen Aufgabe war, sondern an alle Menschen, deren Bestes er suchte und deren Schlimmstes er nimmt und trägt.

 Ex iactura lucrum. Weil er sein Leben dahingegeben hat, wird er Nachfolge haben und weit reichen, den Opfergedanken als den höchsten herausstellen, in dessen Befolgung das Leben erst den rechten Wert erhält. Fortan will die Altarkerze lieber am Altare leuchten und in solcher Arbeit sich verzehren als daß sie verstaubt im Sakristeiwinkel sich erhielte, und die Erntesichel lieber brechen als verrosten. Wer sein Leben verliert, der wird es gewinnen. – Ich heilige mich selbst für sie. So ganz stellt sich Jesus den Seinigen zu Dienst, daß sie von dieser Treue und ausschließlicher Opfergesinnung überwältigt sich ihm erschließen, bereit für ihn zu leben, zu leiden und zu verzichten und in Wahrheit geheiligt zu werden.

 Scheinfrömmigkeit, die zu allem sich erbietet und das „Herr, Herr“ mit kräftigem Eifer sagt, bedeutet vor dem nichts, der nach dem Willen fragt und die Tat des Willens begehrt. Flammende Begeisterung gilt bei dem nichts, der an großen Taten vorübergeht und die einzige Tat des gottgebotenen und gottgenehmen Opfers verlangt, die in der Alltäglichkeit der Ansprüche nicht ermattet, im Gleichmaß der Anforderungen nicht abstumpft, sondern alle Morgen mit neuem Ernste den alten Pflichtenkreis durchmißt. In Wahrheit geheiligt ist der Mensch, den sein Sinn und Wille ein beständiges und ein lebendiges Opfer sein läßt, das festlich zu Gott emporsteigt.

 Beständig, ohne neue Weisen und Methoden, ohne Verlangen nach großen Erfolgen, immer dem Einen zugewandt, daß es Gott gefalle, und dabei doch den ganzen Menschen beanspruchend und verwertend, die ganze Persönlichkeit in den Dienst stellend, darum lebensvoll und lebenswert.

 So steht der Herr von der Höhe des Kreuzes, da er das Vollmaß alles Opferlebens erwiesen hat, auf allen Dienst, der das Ich in den Tod gibt, damit andre dann Leben haben. Die Jünger sind ihm nur Priester voll hingebenden Opferernstes, die im Kreuz sich