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Solches redete Jesus und hob seine Augen auf gen Himmel und sprach: Vater (Joh. 17, 1a).

 Die Stunde des Abschieds ist gekommen. Was Jesus, der in seinem ganzen Hause treue Hohepriester, gelitten und erstritten hat, überschaut und prüft er, damit der Rückblick ihn für die noch ausstehende Aufgabe stärke. Der ihm bis zu dieser Stunde durchgeholfen hat, wird ihn nicht verlassen; die Treue wird der Treue begegnen.

 In der Welt, die zu erlösen er gekommen ist, hat er die Angst erlitten; wohin er kam, trat sie ihm entgegen. Das Leid und die Not des Lebens, das stark sein sollte und Kraft begehrte und ohnmächtig dahinsiechte, die Gewalt der Versuchung, die Güter verspricht und kaum den Schein von ihnen gewährt, Unverstand und Mißverstand, daß man die lebendige Quelle verläßt, weil man bessere zu kennen glaubt, die aber erst mit vieler saurer Mühe gegraben werden müssen und dann versagen. Es ist allenthalben so viel Mühe, daß niemand es aussagen kann, Eitelkeit und Torheit, Rätsel um Rätsel in einer Zeit, die doch der Gott reines Herzens geschaffen hat, in dessen Licht man das Licht sehen kann. Diese Angst ist Jesu zu Herzen gegangen und hat es erfüllt und bewegt und wird es im Tode brechen. Dann wird sie nicht verschwinden, aber ihre Gewalt verlieren. Denn der Heilige Gottes, der sie durchlitten hat, ist ihr nicht unterlegen, sondern hat ihr den starken stillen Frieden entgegengestellt, den er von seinem Vater empfangen und in ihm bewahrt hat, den Kindern aus der Gewißheit, daß niemand und nichts ihn von der Liebe Gottes scheiden könne. Und je größer und heftiger die Angst auf ihn eindrang, desto mehr hat er sich in diesen heiligen Gottesfrieden geborgen, der ihn bei den Wogen und Stürmen des ungestümen Meeres ganz in Frieden schlafen läßt. Die Winde brausen und stoßen an das Haus, aber der in ihm wohnt, weiß es fest gegründet und sich gerettet. Denn er und der Vater sind eins. Nun soll es fortan so stehen, daß die Seinen, denen er die Angst getragen und den Frieden angeboten und gebracht hat, getrosten Mutes sein dürfen, weil er die Welt, aus der die Angst heraufsteigt, überwunden hat. Soviel und soweit sie sich der Welt ergeben und für sie leben, haben sie Angst, wenn sie aber an den Sieg Jesu gläubig und getrost sich halten, werden sie Frieden haben. Nun gibt es zwei Gewißheiten für alle Getreuen Jesu. Wo er nicht ist, da ist Angst, die entschwindet, wo er erscheint. Denn vor ihm flieht die Angst, und aus ihm kommt der Friede. Der die Sünde der Welt getragen hat, hat das, was Angst erweckt, überwunden und gibt den Frieden.