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Gott bezeichnet, sind aus einem klaren Selbstbewußtsein erflossen, das weder die Sünde trüben noch die Nichtanerkennung stören noch der völlige Mißerfolg vernichten konnte. Nicht Gott zweiten Grades, was ein Widerspruch in sich selbst ist, nicht Gott in abgeleitetem Sinne, was Vernichtung der Gottwahrheit wäre, sondern völlig eines Wesens mit Gott ist der, dem man, wie Schlatter sagt, mit tausend Huldigungen und den höchsten Lobeserhebungen vergeblich naht, wenn man ihm nicht die eine Bezeichnung zukommen läßt, die nicht eine Huldigung, sondern nur die Anerkennung der Tatsache in sich schließt: Sohn des lebendigen Gottes und darum Gott selbst.

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 Weil er eben nicht nur auf Gottes Seite steht, sondern eins mit Gott ist, kann er jede Gottesidee in sich aufnehmen nicht nur, sondern in sich darstellen und auslegen, ihr zur vollen Genüge, ohne doch seinerseits etwas zu verlieren. Sie gewinnt durch ihn, er verliert nichts an sie, sie wird durch ihn erfüllt, er nicht durch sie in seiner Größe beeinträchtigt. Welche Idee aber hat Gott von Anbeginn der auf den Punkt sich fixierenden Ewigkeit, den man Zeit nennt, mehr bewegt, als die eines Abbildes, das seine Wesenszüge an sich trüge, ohne doch sein Wesen ganz zu erschöpfen? Durch den Sohn hat er die Welt gemacht, in der Sohnesgeburt die Menschheitsidee gefaßt, darum ist der Sohn mächtig und willig, diese Idee in sich darzustellen. Er ist nicht nur der zweite, sondern der letzte Mensch, die Komplettierung des Menschheitsgedankens, den der Zwischeneintritt der Sünde aufhielt und verwirrte. Das Zerrbild im ersten Adam nach seiner Gottentfernung hat Christus entwirrt, aufgeklärt und zurechtgestellt, so daß die gesamte Menschheitsidee in ihm nicht nur verneut, sondern vollendet ist. Menschwerdung Christi ist, darin haben große Denker recht, wenn auch der Gedanke

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Hermann von Bezzel: Christentum und Kreuz. Trowitzsch & Sohn, Berlin 1912, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Christentum_und_Kreuz.pdf/11&oldid=- (Version vom 1.8.2018)