Seite:Hermann von Bezzel - Der 1. Glaubensartikel.pdf/107

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

 Aus Güte und Barmherzigkeit. In diesen Worten liegt die besondere Herablassung der Güte. Güte dem gegenüber, dessen strahlendes Antlitz mich erfreut, dessen freundliches Dankeswort mich erquickt, dessen Blick meine Seele bis ins Tiefste ergötzt, Güte gegen solche ist Genuß. Aber bei unserem Herrn heißt es Barmherzigkeit! Er sieht das zerrissene Gemüt und gießt Öl in die Wunden; er sieht das zerbrochene Leben und läßt es grünen; er geht durch Ruinen unseres Glückes, unserer Wahrheit, unserer Heiligung, durch ein verkehrtes, verlorenes, verworfenes Leben und unter seinen Fußspuren blüht es und wird Frühling: Das ist Erbarmen. Güte ist es, wenn man genießen will; Erbarmen ist es, wenn man genießen läßt. Güte ist es, wenn man einen anderen Menschen anlächelt, damit sein Dank unser Herz erfreue; Barmherzigkeit aber ist es, wenn das heilige Antlitz unseres Gottes sich in blinden Fensterscheiben widerstrahlt, wenn unseres Gottes große Gnade sich der Armen annimmt.

.

 Ohne all mein Verdienst und Würdigkeit. Ihr seht, Geliebte, es muß eine klare Rechnung zwischen ihm und uns aufgestellt werden. „Wer hat ihm etwas zuvor gegeben, das ihm werde wieder vergolten?“ (Röm. 11 35.) Ohne all mein Verdienst. Warum? Ich war ja Gottes Feind, Erbarmen hat’s so treu gemeint. Es ist ein schweres Gericht, in all dem, was ein Jahr gearbeitet, gelitten, getragen, versprochen hat, nicht das Geringste zu finden, was ein Recht auf Gottes