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wie diese Änderung auf dem Antlitz der Mutter sich abschattet und aus dem Wesen der Mutter redet. Es merkt es; denn es fühlt. Wenn aber das Kind etwas heranwächst und das unmittelbare Fühlen sich zum vermittelnden Bewußtsein hebt, dann ahnt das Kind. Es ahnt im Antlitz der Mutter eine Welt von Seligkeit und Frieden. Es ahnt aus den Tränen der Mutter eine ihm bisher verschlossene Welt des Leides und des Unguten. Es ahnt, wenn die Mutter ihm naht, daß nun Sonne und Segen zu ihm kommen, und wenn die Mutter scheidet, daß eine Freude weniger ihm nahe ist. Es ist das, wenn ich so sagen darf, ein Fühlen, welches ans Denken hingrenzt. Das Kind ahnt ein Glück, ohne zu wissen, was Glück ist. Wenn aber das Kind die Unmittelbarkeit der frühesten Jugend abstreift und sich die Mittelbarkeit des sich Rechenschaft gebenden Menschen aneignet, dann heißt es: das Kind denkt. In diesem Alter des Kindes werden die meisten Erziehungsfehler von unvorsichtigen und schwachen Eltern begangen. Die Reden, die die Eltern unter sich tauschen, die Urteile, die sie miteinander wechseln, prägen sich dem Kinde ein, das Kind beginnt zu denken. Es setzt sich im Unterschied zu andern, es vergleicht sich mit andern. Wird es unmäßig gelobt, so wird es hochmütig; wenn es nie Lob empfängt, wird es kleinmütig. Wenn der Tadel nicht im Verhältnis steht zu der Tat, so wird es trotzig; wenn das Lob nicht dem entspricht, dem es gelten soll,