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des Splitters in deines Bruders Auge deswegen, weil du des Balkens in deinem Auge nicht gewahr wirst. (Matth. 7 3.) Je mehr der Mensch sich mit sich selbst in rechter Weise beschäftigt, desto mehr Geduld muß er mit sich tragen: ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? (Röm. 7 24.) Jeden Morgen die gleiche Last und jeden Abend das gleiche Schuldbewußtsein, und Jahr um Jahr nicht mit sich fertig werden und immer wieder unter sich leiden und unter sich dulden! Da müßte der Mensch an sich verzweifeln! Doch – er lernt an sich glauben. Denn hinter dieser schweren Last hat einer Stellung genommen, der der Menschheit ganzen Jammer auf sich gezogen und an sich getragen hat, und spricht: Werde nicht müde; denn ich bin mit dir; fürchte dich nicht; denn ich habe dich erlöst! (Jes. 43 1.)

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 Dann tritt die Kraft ein, welche in zwei schlichten Buchstaben, in einem armen Wort, die höchste Willensfülle und die höchste Lebenskraft und die Ewigkeitsgröße in sich schließt: ich glaube an. Ich glaube an Gott! Das spricht sich aus so leichthin und so schnell und ist doch das Werk einer täglichen Willenshingabe, eines alle Ohnmacht des Lebens eingestehenden Ernstes und einer über alle Ohnmacht reichenden Hoffnung auf die Allmacht. Das ist das Ergebnis eines auf allen Linien des Lebens gleichmäßig eingetretenen Waltens Gottes: was mir Gewinn war, ist mir Schaden geworden (Phil. 3 7), und woran mein Herz hing,