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Selbstsucht in mein Leben, die erlaubt, ja geboten, ja nicht nur geboten, sondern auch notwendig ist. Denn ein Gebet, das nicht Gott gleichsam zwingt, ein Anliegen, das nicht so dringend vorgebracht wird, als gäbe es außerdem überhaupt kein anderes Anliegen mehr, ist von keinem Wert.

 So danke ich es ihm jetzt im Staub und, wenn er Gnade gibt, einst in der Verklärung, daß er der Einzige ist, der ewig spricht: Ich! Und daß er zugleich der Einzige ist, der mich zeitlich sprechen läßt: Du! Denn alle Menschen, auch die geliebtesten, zu denen ich Du gesagt und denen ich mein Herz erschlossen habe, die gehen alle dahin. Wie viele stehen an Gräbern, sprechend: Ich hätte dir noch so viel zu sagen und du hörst mich nimmer. Aber er ist der Einzige, der von meinen ersten Lebenstagen an, wo ich ihn schauernd ahnte, bis zu meinem letzten, wo ich in Schrecken zittere und doch in Hoffnung scheide, mich zu sich sagen läßt: Du! Der Philosoph Fichte hat den Geburtstag seines ältesten Sohnes an dem Tag begangen, wo er „ich“ sagen konnte. Kleine Kinder reden ja lange von sich in der dritten Person und lernen weit eher „du“ als „ich“ sagen. Ein feiner und lehrreicher Gedanke; denn Erwachsene sagen immer erst ich, dann erst du. Wenn das Kind anfängt zu denken, sagt es du; wenn es anfängt in Sünden zu geraten, sagt es ich.

 Aber das ist göttliche Harmonie, daß mein Ich in seiner Sünde und Unbedeutendheit und sein Du in