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aber ihr strenger, gewaltiger Arm wird von der Liebe regiert: darum bricht mir das Herz über dir, daß ich mich dein erbarmen muß. (Jer. 31 10.)

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 Es ist dir heilsam, o Menschenkind, daß du die Allmacht in deinem Hochmut bekennst: Menschliches Wesen was ist’s gewesen? Es ist dir heilsam, daß du die Allmacht in deiner Hilflosigkeit anrufst: Hilf du mir, so ist mir geholfen! (Jer. 17 14.) Es ist etwas wundersam Großes und Reiches: in der allumfassenden Macht meines Gottes hat auch das Leben eines Armen Raum; in der großen, weltbewegenden, Sterne heraufführenden, sie mit Namen kennenden und nennenden (Ps. 147 4), ihre Bahn bestimmenden Allmacht liegt auch die Teilnahme an einem enteilenden Menschenleben. Es ist wie ein Hohn der Allmacht, der über die Gräber hinschwebt: Was ist alles Menschenleben? Man sorgt, man sinnt, man arbeitet, man ängstet sich, man erlebt und erleidet, man hofft und wird getäuscht, man harrt und wird betrogen, man wirbt und verliert, man sucht und gewinnt nicht. Und dann genügen einige Schaufeln Sand um ein sorgenreiches, arbeitsvolles, verheißungsschweres, an Verantwortung überlastetes Leben ganz in die Stille und in die Schmach zu senken. Es ist ein furchtbarer Schrecken, das letzte Erleben. Was ist der Mensch? Die Allmacht steht wie mit versteinerten Lächeln daneben: Mensch sein heißt nichts sein! Aber darum richten wir an all unsern Gräbern das Kreuz auf, daß man wisse: was hier verfällt, versinkt,