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kein Bitten kommt an sein Ohr und er sieht mit seinen Augen nimmer unsere Angst. „Ich weiß nicht, wo ihr her seid!“ Hört es, der allwissende Herr sagt: „ich weiß nicht, wo ihr her seid.“ Der, dem dein leisester Gedanke nicht verborgen bleibt, dem auch das kaum ausgesprochene Wort deines Mundes bekannt ist, sagt: „ich kenne dich nicht, ich weiß nichts von dir.“ „Ach, wie werd’ ich da bestehen, wen zum Anwalt mir erflehen, wo Gerechte schier vergehen.“


IV.

 Und das letzte viertens: die Lebendigen und die Toten. Wenn der Herr kommen wird, wird die Weltgeschichte noch in vollem Gange sein. Man wird freien und sich freien lassen, man wird zu Trauungen ins Gotteshaus gehen oder auch nicht, man wird Häuser bauen und sein Handwerk treiben, man wird die Kunst pflegen und die Staaten regieren, und die Parlamente werden beschickt werden, ganz wie jetzt. Man wird große Dinge tun, Türme wie zu Babel werden aufgeführt werden, allerlei Herrliches wird der Menschengeist neu erfinden, die ganze Welt wird im Lichte der großen, neuen Entdeckungen erstrahlen. Vielleicht liegen die Kriege wie ein Märlein dahinten, ein großer Wetteifer der Industrie hat angehoben. Das Märchen vom Weltfrieden scheint Wirklichkeit zu werden: das sind die Lebendigen. Und draußen in ihren Kammern, drunten am Grunde des Meeres, dort in ihren Aschenhügeln, in ihren Urnen, da eine neue Weisheit ihre Toten birgt, wo all die von Jahrhunderten aufgespeicherten Staubmengen rasten und ruhen, da wird er kommen. Und er wird hineintreten mitten ins Leben, und das Leben wird erstarren; und er wird hineintreten mitten in den Tod, und der Tod wird erwachen. Er wird kommen in die Gerichtshäuser, Ratsstuben, Parlamente, in die Paläste und in die Hütten. Er wird kommen und hinschreiten über all die Schienengeleise, über die eisernen Stränge, die durch die Welt ziehen, über