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bestimmt; verloren sein, und doch zum Frieden verordnet; verloren sein, und doch zum Glück erkoren, das ist die bitterste Not. Und der Grund dieser Not ist: ich habe die lebendige Quelle verlassen und meine Brunnen sind versiegt. Darum fährt Luther weiter und spricht: verloren und verdammt. Es ist ein Wort, über das ihr hinweggleitet, als ob es sich von selbst aus dem Leben entfernte; es ist ein Wort, über das ihr leicht hinweggeht, eine Größe, über die ihr hinwegscherzt, als ob sie gar nicht wirklich und wesenhaft wäre; ein Schrecken ohnegleichen, über den man lächeln kann, bis man ihn erlebt, eine Bitternis ohne Ende, an die man zwar nicht denken kann, aber dadurch sie nicht beseitigt. Verdammt, und keine Stimme redet mehr für mich, und unter all den Stimmen, die mich umrauschten, eisiges, frostiges, kaltes Schweigen. Die ihr mich vom Glauben verführtet, warum redet ihr jetzt nicht für mich? Die ihr mir den Glauben der Kindheit zerstörtet, warum tretet ihr jetzt nicht für mich ein? Die ihr mit losem Wort und lachenden Gebärden mich bewogen habt, mich doch endlich von dem finsteren, mittelalterlichen Wahn der Hölle freizumachen, warum macht ihr mich denn jetzt nicht frei, da dieser Wahn Wirklichkeit ist?

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 Seht, das ist die große Not, der wir entgegengehen, entgegenträumen, entgegenspielen, entgegentändeln, entgegenscherzen, die große Not, daß am Ende eines reich angelegten und schlecht gebrauchten Lebens es heißt: verdammt! – Keine Blume wächst hinfort an deinem Wege, keine Sonne leuchtet hinfort auf deinem Pfade und kein Stern erhellt fortan mehr deine Nacht; denn ich habe mein Angesicht vor dir verborgen! Denkt euch, Geliebte – Gott behüte euch und mich in Gnaden davor, daß wir es einmal erfahren, was es heißt: verloren für immer! Keiner, der seine Hand nach dir ausstreckt: komme wieder, der du dich verlaufen hast! Keiner, der dir zuruft: es ist noch eine Ruhe vorhanden! In der Ferne hörst du den Lobgesang der Heimgekehrten