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entgegen –, so wurde ich sein eigen durch Strafurteil. Er kann mich vernichten, aber was liegt ihm an meinem Tode und was hat er für Genieß, wenn ich nicht bin? Was kann ihm meine Einsamkeit in der Hölle Freude, und meine Verlorenheit im Abgrunde Gewinn sein? Darum hat er sich aufgemacht, daß er den, den er verderben könnte und verderben müßte, erlösete und hat nun meine ganze verkehrte Art in die seine hereingenommen und unter ihr gelitten und hat die große Menge der Schuld auf sich geladen. Und als die letzte Menschenschuld und der letzte gottferne Gedanke und das letzte gottferne Wort bei ihm eingekehrt war, da brach ihm das Herz im Tode und es heißt seitdem: „es ist vollbracht“ (Joh. 19, 30); denn die ganze Sündenwelt kam herbei. Alle, alle, von dem ersten Menschen an, der sein Heimatsrecht und Heimatsglück verscherzte, bis zu deiner und meiner Seele, die überall heimisch war, nur nicht bei ihm, sie kamen alle heran und klagten beweglich unter dem Kreuze über den Schmerz der Heimatlosigkeit: „ich lief verirrt und war verblendet.“ Ich klopfte bei vielen Türen an, und sie wurden mir aufgetan, und als ich hineinsah, war es Fremde. Ich warb um Liebe, und als ich sie erhielt, ließ sie mich kalt. Ich suchte Frieden und jagte ihm nach als dem edelsten Gute des Lebens, und als ich ihn erlangt hatte, war er bereits fortgezogen, und wie ich ihm nachsah, war es nicht Friede. So sind sie alle, ein ganzes Heer von Friedlosen und Lebensbeschädigten und Gottarmen herangetreten und haben unter dem Kreuze ihre Lasten niedergelegt und als einzige Antwort kam die Frage: sind das alle, die da leiden? Sind das alle? Kommt her zu mir alle! (Matth. 11, 28.) Und nun machten sie sich auf mit den zerbrochenen Scherben ihres Glückes, die stolzen Denker mit ihren Systemen, die das Herz doch nicht zum Frieden bringen, die armen Leute, die im Staube ihre Nahrung suchen und im Staube ihre Ehre verlieren. Sie kamen alle herbei, ob mit irdenen Scherben eines armseligen Glückes oder mit goldenen Trümmern