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durchkostet hatte, sprach er: nun gehörst du mir an! Und dann zahlte er dar, was eine verlorene Menschenseele noch wert ist. Du verachtest den Genossen, welcher in zerrissenem Gewande vor dir steht, du schaust gering herab auf das arme Weib, das mit entstellten und von der Sünde durchfurchten Zügen dir folgt, du gibst ihm nur rasch ein paar Pfennige, damit es doch schnell aus deinem Gesichtskreis kommt. Wie peinlich wäre es dir, sähe man dich mit diesem Weibe! Du hältst die Menschenseele nur dann wert, wenn sie in güldener, zierlicher, ziemlicher Fassung vor dir steht: der Geistreiche, der Gewandte, der Einladende, der Anziehende, auch wenn er noch so verderbt ist, erscheint dir bedeutsam und wert. Ihm gehst du nach und um ihn mühst du dich. Aber wenn die Sünde den Mut nicht mehr hat, vielleicht auch nimmer die Kraft, sich zu verbergen, wenn sie in ihrer ganzen Armut und Ungeschminktheit einhertritt, dann verwirfst du die arme Seele. Aber er hat für diese arme Seele, an der du stolz vorübergehst, denselben Preis gezahlt, den er für deine Seele aufwog. Er hat für die Seele der Menschheit und für die Seelen der Menschen und für die ganze große Welt ein einziges, allgütiges, allumfassendes Lösegeld dargeboten, da er sich selbst opferte. Und Gott, in die Wahl gestellt zwischen der verachtetsten und unwertesten Seele und seinem Eingeborenen, seinem Ebenbilde und Abglanz seines Wesens, hat dieses Ebenbild verworfen, damit er die verworfenen Seelen rette, und hat den Heiligen und Reinen verschmäht, damit er des Unreinen Vater wieder sein könne.

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 Seht, da heißt es: er hat mich zu seinem Eigentum erworben, indem er sich für mich gab. Für mich! Für eine gerechte Sache ist manch einer schon gestorben, für eine hohe Sache wagt jetzt mancher sein Leben: für Vaterland, Vaterherd, väterliche Ehre, Volkstum, Volkscharakter hat manch einer sein Leben und seine Kraft, seine Freude und sein Glück geopfert. Aber für die Karikatur des Menschentums, für die jämmerliche