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uns nach.“ Ich kann meine Ängste nicht mehr bannen, die Sterbeglocken klingen nahe heran. Wer will mich trösten? Nur du, Herr Jesu Christ, alleine!

 Man merkt es: auch bei den treuesten Menschen ist kein Trost. Wir werden, je älter wir werden, immer einsamer. Die Erscheinungen fremden uns an. Das Einerlei von Pflicht und Leistung erkältet uns, die Tage werden so kurz und sind doch so lang, die Wochen eilen im Fluge und schleichen doch so dahin. Man spürt es, man wird fremd auf der Erde. Alles berührt uns so kühl und der Abendwind streicht merklich spürbar herüber. Es ist, als sähe man durch entlaubte Bäume, und die Bäume wollen nicht mehr grünen, und die Sterne wollen nicht recht glänzen, und es wird alles so still. Man liest, und das Buch rührt nicht mehr; man hört, und das Gehörte trifft nicht mehr; man läßt sich berichten, und der Bericht erquickt nicht mehr. Man spürt, es geht nach innen. Alle Organe werden nicht mehr aufnahmsfähig, sondern, daß ich töricht rede, kehren in sich zurück. Wes soll ich mich trösten, wenn, je mehr ich Hilfe brauche, ich desto einsamer werde? Wes soll ich mich trösten, wenn nur Eins mich immer besucht, das ich mit tausend Wünschen von meiner Schwelle bannen möchte: die Erinnerung? Wes soll ich mich trösten, wenn sie alle vor mich kommen die verlorenen Tage, wenn die vergeudeten Stunden mich anklagen,und die von mir gekränkten Menschen alle einkehren, wenn alle, denen ich ein Leid getan habe, sich bei mir einstellen, und wenn ich nun eine doppelte Arbeit habe: der Vergangenheit ledig und der Zukunft mächtig zu werden? Wes soll ich mich trösten, wenn meine Reue niemand mehr besänftigt, keine schwere Erinnerung mehr bannt, nein, im Gegenteil, die Gestalten, die ich tausendmal beschwor, wiederkehren, die Gestalten, denen ich hätte wohl tun müssen und sollen, bei mir sich immer wieder einstellen?

 Und dann die große Aufgabe der Zukunft: ich muß ja noch