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hier der Freigelassene, der Mann ohne innere Freiheit, dort der Gebundene, der Hort alles Freien! Hier der Mann, dem die Laune die Stimmung, dem die Stimmung die Neigung, dem die Neigung den Willen regiert; dort der, der da spricht: „Das ist meine Speise, daß ich den Willen tue meines Vaters und vollende sein Werk!“ (Joh. 4, 34.) Dort der Mann, der die ewige Freiheit im Gehorsam findet, hier der Sklave, der den Gehorsam leugnet, weil er abhängig ist! Jesus, der Inbegriff aller Freiheit: wenn ein Gedanke dich von dir selber losmacht, dich über dein Wesen und dein Leben, über deine Umgebung, über deine Angst und deine Sünde, deine Sorge und deinen Stand hinaushebt, so kommt er von ihm. Wenn ein Gedanke durch deine Seele zieht, der dich eine kleine Weile in ewiger Freiheit, all deine Wünsche nur in deinem Heiland leben läßt, so rührt er von ihm. Und wenn du einmal mit dem sehnlichen Erwachen dich findest, wie es sein müsse, von Sünde und Sorge ewig frei zu sein, wie man da in der Luft der Freiheit sich baden und erquicken könne, so war er es, der dir diesen Gedanken schenkte, Vorschmack einer ewigen Wirklichkeit, Angeld einer seligen Wahrheit.

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 So euch der Sohn frei macht, der gebundene, geknechtete, unterjochte und verworfene Sohn, so euch der frei macht, den die Weisheit der Welt mit ihren Trugschlüssen, den der Unglaube der Welt mit seinen Leugnungen, den die Gewalttat der Menschen mit ihrer Grausamkeit gebunden hat, so euch der frei macht, der mit einer einzigen Bewegung auch die schwersten, ehernen Fesseln von sich streift, so seid ihr recht frei. Denn es gibt keine Fessel – sei es, daß sie deinem Leben sich anschmiegte und es umtoste, sei es, daß sie in dein Leben einschnitte und es bände – die er nicht selbst erfahren und erlitten hat. Es gibt keine Gebundenheit – sei sie so angenehm, daß man sie nahe an sich herannimmt, um ja unter ihr zu leiden, sei sie so schwer, daß man sie immer von sich abstößt, um ja nicht mehr unter ihr zu schmachten –, die er nicht