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Aufklärung mit ihrem aufjauchzenden Bekenntnis vom selbsterwählten, selbsterzeugten Lichte hört, so rufen sie euch: Kommt, kommt her zu uns, nicht etwas von Wahrheit, nicht ein Stück der Wahrheit, nein, die Wahrheit voll und ganz wohnt bei uns. Und dann kehrt ihr heim und merkt, daß dieses Gold in Trübsalsnöten, in Herzensfinsternis, am Lebensabend sich in Kohle verwandelt, und ihr seid so leer und so hohl. Was ihr hattet, das habt ihr verloren und was ihr gewonnen, das hat euch nichts genützt!

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 Was ist Wahrheit? so fragt der zweifelnde, höhnende Römer den, der da spricht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Ist denn das Menschenherz fähig, die Wahrheit aufzunehmen? So gewiß draußen das dürre Feld in allen seinen Schollen und Krumen und in den entlegensten Orten und Winkeln nach Regen dürstet und den Regen lebens- und freudenvoll in sich aufnimmt, daß die Gräslein wieder lebendig werden und die Erde wieder nachgibt und dem Regen sich auftut, so gewiß ist die Menschenseele zur Wahrheit angelegt. Denn, spricht die alte Weisheit, er hat uns die verborgene Ewigkeit ins Herz gesenkt. Es ist in deiner Seele ein Raum, den nur eines wirklich füllen kann, ein Verlangen, das nur Einer wirklich stillen kann, eine Frage, die nur Einer wirklich lösen darf. Und dieses Verlangen heißt: Wo finde ich Wahrheit? Müde von den Enttäuschungen, die ich erlitt, matt durch das, was ich als Wahrheit ansprach und was Irrtum war, viel gequält durch all das Verlangen, das meine Seele erregte, aber nicht stillte, frage ich hinaus in die Weite, gehe ich hinein in die Enge, steige ich hinab in die Tiefe, fahre ich über mich hinaus in die Höhe, immer mit einer Frage: Was ist Wahrheit? Lehre es mich, so du es weißt, gib sie mir! Gib mir die Wahrheit, daß ich an ihr genese. Ich bin von der Lüge innerlich ausgebrannt und ausgedörrt. Mein ganzes Leben war Lüge, und ich belog mein Leben. Von dem