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sich tun läßt. Er litt das Kreuz! Und die Kirche versenkt sich in das Wort: „Gekreuziget“; denn sie weiß, nichts ist schimpflicher in jenen Tagen gewesen, da der Herr über die Erde ging und nichts ist häßlicher bis auf den heutigen Tag geblieben, als der Tod am Kreuze. Der Tod vor dem Feinde, der Tod im Kriegsgetümmel, auf der Walstatt ist mit dem Lorbeer umkränzt und mit Ehren bedeckt, der Tod für das Vaterland und die gerechte Sache, für des Volkes Ehre und für des Landes Wohlfahrt ist ein ritterlich großes Werk. Aber einsam draußen verröcheln, unbekannt und ungenannt und unbeklagt, ohne Ansehen der Menschen, hingegossen in des Todes Staub und hingegeben in der Vernichtung Schmach, das ist das schmählichste, was ihm widerfuhr. Keine Todesart konnte den Heiligen Gottes so vor der Welt entehren, als die am Kreuze. Und so oft die Welt das Kreuz ansieht, ob es nun von der Kunst verklärt oder von der Dichtung verherrlicht, oder von Klang und Sang umtönt ist, immer wendet sie sich von diesem Zeichen der Schmach: ein Gottessohn stirbt wie ein verworfener Verbrecher. Anderer Tod ist mit Ehren umlaubt, anderer Sterben ist von Tränen getröstet, andere gehen dahin unter Klage und Dank der Ihren. Er hat draußen vor dem Tore, allein, vom Feinde umgeben und von den Scharen der Hölle umringt, gelitten. Welch eine Schmach! Und noch jetzt, da er zur Rechten der Majestät erhöht ist, wird sein Kreuz umlästert, umspottet und umzweifelt und geleugnet. Das ist die Schmach, die die Treue erleidet, das ist die Schande, die dem Gehorsam widerfährt.

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 Und nicht bloß der schmählichste Tod ist der Kreuzestod, sondern auch der schmerzlichste ist es. Als Alexander der Große in Tyrus etliche kreuzigen ließ, war das Wehegeschrei dieser Sterbenden so gewaltig, daß man in der Stadt die Türen verriegelte, um den Ton der Klage nicht mehr zu hören. Entstellt, verunstaltet, mit der Schmach des Leidens bedeckt, mit den Zügen des