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kenne nichts Törichteres als das Kreuz!“ – Indem der Herr so zwischen Himmel und Erde hängt, ist sein Leiden und sein Tod nicht bloß höchste Schmach und bitterster Schmerz und größte Sichtbarkeit, sondern auch ein prophetisches Ding: „Ich, wenn ich erhöhet werde von der Erde, will ich sie alle zu mir ziehen.“ (Joh. 12, 32.) Er ist ja doch erhöht und wenn es gleich nur einige Fuß breit ist. Er ist ja doch über die Erde erhöht, die Erde kann ihn nicht fassen und nicht halten: „Am Kreuze hängst du angehaft’t, die Erd’ bewegest du mit Kraft!“ Es ist wirklich so: er ist der Erde entnommen und der Sichtbarkeit wird er langsam entrückt, denn er hat die Welt überwunden. Und je mehr er von der Erde emporgehoben wird, desto mehr zieht des Himmels Herrlichkeit und der Heimat Größe, die er uns erschlossen und bereitet hat, in das arme, wunde Herz und in die gottferne Seele: „Ich, wenn ich erhöhet werde von der Erde, will ich sie alle zu mir ziehen.“ Und nun kommen die Zweifler, die bei ihm Ruhe suchen wollen und die Leugner, denen der Widerspruch allzu gewaltig geworden ist, die Armen, die allen Standpunkt der Welt als verfehlt erkannt haben und nun unter dem Kreuze einen Standpunkt suchen, sie alle kommen herzu und sprechen: „Hast du denn keinen Segen für mich?“ Und er antwortet: „Ich will euch alle zu mir ziehen!“ Das ist ein prophetisches Wort. Wenn einer aus der oberen Heimat zu uns käme, müßte er auf die Frage: „Was hat dich heimgebracht?“ unbedingt antworten: „Das Kreuz Jesu Christi hat mich aufwärts gezogen und sein Blut machte mich rein von aller Sünde!“ (1. Joh. 1, 7.) Das ist kein frommes Märlein, das ist kein alter Glaubenssatz, den wir immer wieder der Gemeinde vortragen, weil wir keinen anderen wüßten, sondern weil wir keinen anderen wissen wollen, keinen anderen wissen dürfen, weil wir keinen andern wissen mögen, denn allein den, der uns selber froh und frei und reich gemacht hat. „Jesus, für meine Sünde in den Tod gegeben.“ Und diese Prophetie ist eine