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sprechen: „Leiden war das nicht, was in deiner Nähe geschehen durfte, Schmerz heißt das nicht, wozu du mich beriefst!“

 Es wäre unnatürlich, wenn ich am heutigen Tage, da unsere Gebete und Wünsche dem deutschen Kaiser gelten, nicht seiner am Schlusse gedächte, gedächte mit all der Treue, die ein deutscher Mann für seinen Kaiser im Herzen hat und im Herzen bewegt.

 Als am 18. Januar 1861 der Großvater unseres Kaisers dort in Königsberg in der alten Kirche seiner Väter, in der auch der erste Preußenkönig Friedrich III. gekrönt ward, die Krönung empfing, da, so erzählt er selbst, ging ein Schauer durch seine Seele, als er die Krone der Hohenzollern auf sein Haupt legen wollte. Und in der Stunde, da er bebte vor der Verantwortung – denn Goldkronen sind noch immer Dornenkronen gewesen für den, der sie recht trägt – fiel sein Blick auf das Haupt des dornengekrönten Heilandes und er sprach bei sich selbst: „Wenn du, Herr Jesus, die Dornenkrone getragen und sie zu einer Königskrone ohnegleichen gewandelt hast, so hilf auch mir die goldene Krone tragen, daß sie in Dornen und Leiden dir zur Ehre gereiche!“ Der Herr hat in 27 jähriger, reichgesegneter Regierung den alten Kaiser seines Gebetes Erhörung finden lassen: „Ich will dich tragen bis ins Alter und bis du grau wirst; ich will’s tun, ich will heben und will tragen und will erretten.“ (Jes. 46, 4.)

 Unser kaiserlicher Herr hat vielleicht die Unmittelbarkeit des kindlichen Glaubens von seinem Großvater nicht geerbt. Aber die tiefe Ehrerbietung vor dem, der über alle Könige herrscht, hat ihn nicht verlassen. Über dem Schlosse zu Berlin auf der Kuppel sind die Worte aus Phil. 2 angebracht und leuchten hinab in die Reichshauptstadt für jeden, der sie lesen will: „In dem Namen Jesu sollen sich beugen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind!“ (Phil. 2, 10.) Das ist das Bekenntnis unseres Kaisers.