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 In der Stunde, in der durch die Hölle das Geheul aller Gefangenen, aller Gebundenen, aller Gottesfernen und Gottlosen erscholl: „Christus ist tot für immer, Gott hat seines einigen Sohnes nicht verschont, sondern er hat sich seiner beraubt,“ kam er. In dieses Reich ist der Herr Christus, an Leib und Seele verklärt, eingedrungen. In der oben erwähnten Predigt von Torgau erzählt Luther in seiner bildlich darstellenden Art, daß, wie er mit dem Kreuze hingeschlagen habe an die Pforte der Hölle, alle erbebten. So lesen wir auch Jes. 14, wie alle auffahren, weil der Morgenstern, nicht der gefallene, sondern der aufgehende erscheint, wie alle Gewalten der Hölle erschauern: den wir tot glaubten, über dessen Tod wir jauchzten, der steht vor dem Tore der Hölle. Das ist übermenschliche Phantasie; denn das ist göttliche Offenbarung. Das ist übermenschliche Dichtung; denn es ist göttliche Wahrheit.

 In der Stunde, da die Hölle ihre ganze Gewalt entfesselt und ihre ganze Größe entriegelt und die Lüge hohnlachend auf den Thron sich setzt, da doch die Wahrheit verdorben und gestorben sei, in der Stunde erschien die Wahrheit, sieghaft, sonnenklar, heldenstark, göttlich groß: „Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig geworden und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“ (Off. 1, 18.)

 Wißt ihr, was das heißt? Ihr habt viel tausendmal den Pfarrer am Altar sprechen hören: niedergefahren zur Hölle – und habt euch nichts dabei gedacht, während es doch wie heilige Scheu durch die Seele gehen müßte. Was hat mein Jesus für mich getragen! Denkt euch, er geht an einen Ort, wo kein Einziger auch nur einen leisen Gottesgedanken hat. Er kommt an eine Stätte, wo jeder Gedanke ein Pfeil ist, gegen ihn angelegt, und ein Speer, gegen ihn gezückt. Wie ist es euch zumute in einer fremden Versammlung, wo euch niemand kennt und ihr scheu, schüchtern euch fühlt und verlassen euch vorkommt. Er aber ist in