Seite:Hermann von Bezzel - Der Beruf der evangelisch-lutherischen Kirche zum Amt der Diakonie.pdf/20

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die lutherische in Betracht kommen) so ansehen, daß diese Teilkirchen nicht bloß Werke der Sünde, Ergebnisse sündlicher Abschließung, sondern auch Werke des heiligen Gottesgeistes sind, der das Natürliche zwar nicht zu unbedingter Voraussetzung hat aber an alles natürliche anknüpft. So lange es in einer Teilkirche noch möglich ist, den Prozeß zu erleben, den der Herr Jesus Christus Wiedergeburt nennt, so lang eine Seele in ihr noch rühmen kann:

„Ich lief verirrt und war verblendet,
Ich suchte Dich und fand Dich nicht;
Ich hatte mich von Dir gewendet
Und liebte das geschaffne Licht.
Nun aber ist durch Dich gescheh’n,
Daß ich Dich hab’ erseh’n.“

so lange ist diese Teilkirche christlich. So lange in einer Teilkirche noch Jesus Christus, über den der Apostel Paulus im 1. Kapitel des 1. Korintherbriefes so schmerzlich ruft: „Ist denn Christus zertrennet?“ gepredigt wird als Gottes Sohn, weil er des Menschen Sohn und als Menschensohn, weil er Gottes Sohn ist, so lange hat jede Teilkirche noch die göttliche Legitimation für sich.

 Es ist nicht zu leugnen, daß wie in der Auffassung des Herrn Christi, so in der Auffassung des christlichen Ideals, unter den Aposteln schon Verschiedenheiten auftraten. Wie man den Herrn Jesus anders gezeichnet findet bei jedem Evangelisten, so ist auch das Paulinisch-Johanneische Ideal ein anderes als das Petrinisch-Jakobinische, und wir dürfen ganz einfach sagen, das Paulinisch-Johanneische steht höher als das Petrinisch-Jakobinische. Es haben eben die Apostel das Leben des Herrn Christi anders auf sich wirken lassen und verschieden sich gestaltet. Ein Paulus hat mehr opfern müssen als ein Petrus, ein Paulus ist auch auf anderm Wege zu ihm gekommen, als ein Petrus.

 Und beides hat sich in ihrer Entwicklung nicht verleugnet, kann sich nicht verleugnen. Der Mensch ist eben