Seite:Hermann von Bezzel - Der Beruf der evangelisch-lutherischen Kirche zum Amt der Diakonie.pdf/44

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allen Verlockungen zum Trotz an dem armen, verachteten Wort ihres Herrn hält, weil die arme und verachtete Gestalt ihres Herrn ihr das Herz gewonnen hat, also daß es brennt, so oft er die Schrift öffnet. Der Herr wird aber noch Seiner armen Kirche gedenken, daß sie so treu über dem Wort hält, nicht in sklavischer Furcht, sondern in kindlicher Ehrerbietung, weil dies Wort ihre Macht und ihr Kleinod ist, um das sie Gut und Blut, Ehre und Ruhm gegeben, ihr Friede und ihr Stolz bis auf diese Stunde.

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 Obgleich Harms weiterhin warnte: „Als eine arme Magd möchte man die lutherische Kirche jetzt reich machen durch eine Kopulation. Vollziehet den Akt ja nicht über Luthers Gebein: es wird lebendig – und dann, wehe euch!“ (Th. 75), versuchte man doch durch sanfte und offene Gewalt, Einigung in dem zu vollziehen, was durch Gottes Zulassung, ja Fügung – denn so stehen wir zu den konfessionellen Besonderungen – getrennt war. Mit großem Rechte, ob auch in bitterem Wehe hat die Kirche Luthers gegen solche Vergewaltigung protestiert, welche den Geist „mit Knütteln totschlagen“ wollte. Und sie wird es noch erleben, daß dieser Kampf nicht bloß verstanden und geehrt, sondern auch geteilt werden wird. Zu der kleinen, aber reinen Herde werden sie von weither flüchten: auf jüngsten Konferenzen haben fromme Christen innerhalb der Union das „Lutherische“ vermißt, Männer wie Stöcker verkünden öffentlich, daß „Luthers Auffassung von Wort und Sakrament“ das Kampfobjekt für die Zukunft bezeichne; mit Einem Worte: wo noch ernste Stellungnahme zu den teuern Gütern des Evangeliums erstrebt wird, da sucht man Rückkehr zur lutherischen Kirche, zum wenigsten freundlich anschließende Fühlung mit ihr. Große Zeiten und große Männer hat unsere Kirche in diesem Jahrhundert erlebt: Hofacker und Thomasius, Harleß, Vilmar und v. Hofmann, Löhe und Ludwig Harms, um nur sie zu nennen, haben vergrabene Schätze wieder aufgedeckt, heilige Klänge wieder ertönen lassen,