Seite:Hermann von Bezzel - Der Beruf der evangelisch-lutherischen Kirche zum Amt der Diakonie.pdf/54

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Wille eine majestätische Harmonie findet. „Im Glauben aller Dinge Herr, in der Liebe jedermanns Knecht.“ Dem sonnenhaften Auge wird alles sonnig erscheinen. Ja, Luther ist weltflüchtig gewesen und hat uns nicht umsonst bitten heißen, daß der Herr uns mit Gnaden „von diesem Jammertal zu Sich nehme in den Himmel“, hat deshalb auch die Kirche mit Vorliebe als die Kirche des jüngsten Tages bezeichnet und sich der freudigen Erwartung sorglos hingegeben, der Herr werde sie bald heimholen aus diesem Elend. Der enteilenden gegenüber waren alle andern Fragen sehr nebensächlich, darum hat er für die Verfassung wenig genug getan. Es war nur ein Notbau, unter den er die Kirche barg, von dem er selbst nur zu sehr überzeugt war, daß er mit der Zeit hinfallen müsse und dürfe. Weil aber jetzt nichts anders zuhanden war, hat Luther sich in vertrauensvoller Hingabe an die Fürsten angeschlossen, welche mehr oder weniger von seinem Geist ergriffen waren. In der Verfassung lag nie Luthers Stärke, liegt nie die Stärke der lutherischen Kirche. Und gegen anstaltliche Verfassung hat die Kirche der Wittenberger Reformation desgleichen fast Abneigung: sie entschließt sich, bei der Respektierung des Gegebenen, die ihr eignet, schwer, neue Einrichtungen zu treffen. Es ist ihr das alles gleich, wenn sie nur ihres Glaubens leben kann, und darum hat es unsere Kirche vertragen, wenn man sie drückte oder in den Winkel stellte. Es liegt in dieser geheiligten Sorglosigkeit etwas Rührendes und vor dem Herrn wirklich Wohlgefälliges, in dieser Vertrauensfülle, daß wir nicht sagen – Vertrauensseligkeit, und der Herr hat bis auf diese Stunde bei aller Armseligkeit auch hier Seine Kirche nicht vergessen. Sie hatte mit der großen Aufgabe genug zu tun „rein zu machen und Jesum, den ewigen Bischof, zu predigen, den Katechismus recht zu treiben und die Lehre zu klären.“ Darum findet sich in den ersten Zeiten ihrer Geschichte kein ethisches Lehrgebäude außer dem Katechismus, keine ins einzelne gehende Sittenlehre, sondern Grundanschauungen!