Seite:Hermann von Bezzel - Der Beruf der evangelisch-lutherischen Kirche zum Amt der Diakonie.pdf/87

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und verdirbt das Höchste, die Liebe, die sie als das schändlichste Zerrbild erscheinen läßt. Die Tugend, welche der Herr gerade dem Weibe gegeben hat, die Tugend des freudigen, hingebenden, geheiligten Opfers, ist zum Greuel geworden. Er läßt Sein nicht spotten, wenn so das Ideal von dem heiligen Altar heruntergerissen wird. Die Aufgabe an diesen Menschen ist die allerschwerste, weil jede psychologische Anknüpfung fehlen muß. Und wenn sie sich noch so sehr verobjektiviert, das wird eine Dienerin der Barmherzigkeit nicht vermögen, sich ganz in diese Seelen hineinzuversetzen. Das psychische Leben der Blöden liegt klar da trotz alles Verschleierten, Zusammengedrängten, Verkürzten, aber bei den Gefallenen muß die Liebe sich auf zarte Versuche beschränken. Eine Statistik der Magdalenensache ist das allerentmutigendste: 95 Prozent wohl sind recidiv. Und doch, wir wissen, wenn nur 1/100 Prozent gerettet wird, dürfen wir uns nicht weigern um Des willen, Der Sodom und Gomorrha um zehn Gerechter willen gnädig verschonen wollte. Man darf die Sache nicht aufgeben; denn es ist Seine Sache, auch wenn sie ohne allen Erfolg anscheinend wäre; denn Ihm steht der Erfolg zu. Diese Aufgabe aber wird der Diakonie auch bleiben. Dafür hat die Welt nicht einmal mehr die Anerkennung der Mauern, d. i. die Freude, daß mitleidige Mauern schweren Anblick den Lebensfrohen entziehen, sondern nur Spott und Hohn. Ja es sind die Magdalenien selbst oft nur steinerne Denkmale der rohesten Brutalität der Welt, welche diese Aermsten wegwirft von dem Markte des Lebens, an dem sie lüstern und doch ihnen selber zur Qual gesessen. Er allein, Der in die Tiefen der Sünde sieht, ohne daß es Ihm graut, weil Er sie überwunden hat, Er allein weiß zu zählen die Tränen der Verführten, das Wehklagen der Armen, welche, ob auch nicht fest gegründet, doch schön den Gelüsten hingeopfert wurden. Er spricht Reuigen unter ihnen himmlische Freude zu und verschmäht die Gabe der Sünderin nicht, welche Ihn weinend sucht. So gewiß aber Rom