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sondern die ganze Menschenpersönlichkeit und Menschheit in die Verklärung erhoben wurde. Nicht Gottes Natur kann im Tode versinken –, wenn wir singen: O große Not, Gott selbst ist tot, so wissen wir, der Träger der menschlichen Natur hat sich dem Tode anvertraut. Aber das dürfen wir mit großer Freude wissen, daß er die gesamte Menschennatur nicht bloß in die Möglichkeit, sondern in die Wirklichkeit der Heimat versetzt hat. Hinfort weiß die Gemeinde im Streit, daß hoch über ihr und doch ganz ihr nahe das verklärte Menschtum thront, hinfort weiß sie, daß alle ihre Leidenskämpfe, all die Anfechtungen, die sie durchmißt, vorbereiten auf den Eingang in die Verklärung ihrer Natürlichkeit. Denn ein Dreifaches ist es, was der verklärte, in seine ganze Herrlichkeit heimgekehrte Herr und König erwirkt.

 Er verklärt zunächst seinen Leib. Immer mehr müssen wir daran festhalten, daß der heimgekehrte Heiland auch jetzt noch geschichtliche Prozesse erlebt, daß er von einer Klarheit zur anderen sich durchringt, sich durchsetzt. So gewiß er in den Strom der Geschichte und ihrer folgegemäßen Entwickelung hier in der Niedrigkeit sich begeben hat, so gewiß steht er jetzt in dem seligen Strom eines Prozesses, nicht ad infinitum, was ein Widerspruch in sich selbst wäre – ein Fortschritt ins Unendliche ist der eminenteste Rückschritt, weil Aufhebung von Gesetz und Wesen des Fortschritts –, sondern er steht in der immer größeren Durchlebung des erhörungsgewissen Prozesses: Vater, verkläre mich mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. Nun weichen vom Herrn all die Andeutungen und Umrisse der Verklärung, es fallen zurück all die Unterpfänder eines Vollendetwerdens, nun gehen weg alle Anzeichen der durchwaltenden Majestät, Weissagungen werden Erfüllungen, Andeutungen werden Geschehnisse, und Symbole werden das, was sie ausdrücken und bezeichnen.

 In dieser verklärten Menschlichkeit aber verklärt er immer wieder sich in den Seinen, damit von ihnen durch ihn der Strahl auf den Vater falle, den er einst unter und vor ihnen leidend verklärt hat. In dieser Verklärung verklärt er, sich zu Ehren, dem Vater zu Lob und Preis den geheimnisvollen Leib seiner Kirche.

 Das corpus mysticum, das eigentliche geheimnisvolle Wesen in der Erscheinung des Herrn, heißt jetzt auf Erden, wie es der Epheserbrief in seinem 1. und 4. Kapitel meint, heilige Kirche. Er hat hier auf Erden etliche Getreue sich geworben und sie als ein Ferment in die Zeit, als ein Salz in die gärende Weltzersetzung, als ein Licht in die finstere Weltgeschichte eingesenkt. Wo irgendwie die Welt an ihrer Geschmacklosigkeit

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Hermann von Bezzel: Der erhöhte Herr. Furche, Berlin 1914, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Der_erh%C3%B6hte_Herr.pdf/13&oldid=- (Version vom 5.7.2016)