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stirbt, an sich selbst hingegeben dem Zersetzungsurteile des Unschmackhaften und Ungewürzten verfällt, da hat er seine armen Jünger als Salzkraft eingestiftet. Wo zwei oder drei in der Größe ihres Heilandes klar, lauter, ernst, mit der Rücksichtslosigkeit, die der Wahrheit eignet, mit der Barmherzigkeit, die die Liebe braucht, wirken und walten, da geben sie das Zeugnis eines wunderbaren Dienstes. Um ihretwillen wird die Welt geschont. Wo die Finsternisse überhandnehmen, wo scheinbar zerteilte Nebelstreifen wieder zu neuem Gewölke sich zusammenballen und anscheinend überwundene Vorurteile mit neuer, dämonischer Kraft aus gestattet, auf den Plan treten, da sind seine Jünger das Licht der Welt. Was sie meinen, was sie denken, wo sie hoffen, wie sie bitten, will die Welt nicht anerkennen und kann doch der Einwirkung nimmer sich entziehen. Diese wenigen Getreuen, denen keine große Zahl verheißen ist – und sie ist doch unzählbar –, diese geringen Leute, die all ihr Wissen auf das Eine konzentrieren, daß sie des Gekreuzigten Eigentum und Knechte seien, will er, der verklärte Herr, immer mehr durchwalten und durchherrschen. War es früher die Einwirkung Jesu, so ist es jetzt die Einwohnung, war es früher die Fürbitte des leidenden Herrn, die sie trug, so ist es jetzt die große hohepriesterliche Interzession des Verklärten. Denn er tritt für seine Gemeinde ein nicht als für eine in der Praxis schon reine, sondern in der Thesis rein gewordene, er wendet sich an seinen Vater mit der Bitte für diese wenigen, die sich seines Wortes nicht schämen, seinen Namen nicht verleugnen. Hinfort, sagt Luther, erhebt er seine Hände und spricht: Dieses Blut ist mit nichten umsonst geflossen, und weist auf seine Striemen, die auch der Verklärung nicht weichen: dieses Leid habe ich für die Meinen erduldet. Nun weiß die streitende Kirche auf Erden, die sich, je älter sie wird, desto ärmer bekennt, nun weiß die Gemeinde der Getreuen, die viel verlernen muß, damit sie das Eine lerne und bewahre – dieser klaffende Hiatus zwischen Wirklichkeit und Seinsollen werde ausgetan; denn er bittet für sie. Dieses Gebet des erhöhten Herrn und Meisters dürfen wir so fest im Glauben fassen, daß das Gebet zu ihm, der für uns gebetet hat, ein Atemholen innerster Notwendigkeit ist. Wenn wir jetzt oft hören: Ich bete zu Gott durch Jesus und lieber durch Jesus als zu Jesus, so ist das nur eine Scheinbarkeit. Denn die Jünger müssen sich beugen vor dem, dem der Vater einen Namen gegeben hat, der über alle Namen ist; und in der Anbetung Jesu, des Verklärten, liegt letztlich der Zusammenschluß des Streites mit dem Frieden, der Sünde mit der Versöhnung, des Stückwerks mit der Erfüllung, des Armen mit dem Reichtum. Nicht direkter Zusammenschluß mit dem Vater, sondern Zusammenschluß mit ihm, der

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Hermann von Bezzel: Der erhöhte Herr. Furche, Berlin 1914, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Der_erh%C3%B6hte_Herr.pdf/14&oldid=- (Version vom 5.7.2016)