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Denn der Herr, der für seine Kirche flehend eintritt, daß sie immer völliger werde, verlangt, daß nach seinem Urbild sich das Abbild forme, und bittet, daß die Kirche werde, wie ihr Herr in Ausmessung von Zeit und Raum und in der Ausnutzung der in ihnen gebotenen Gelegenheiten.

 Es ist doch etwas Wunderbares, wie ein Wort den Jüngern entging, sobald ihr Herr und Heiland von der Erde geschieden war, das Wort σχολάζειν, das den alten Griechen so bedeutsam war, das Wort der sinnenden, sich behagenden und pflegenden Muße. Den Aposteln ist es entfallen, statt dessen heißt es ἐξαγοράζειν τόν καιρόν.

 Diese Auskaufung, Ausnutzung und Ausdienung der Zeit ist eine Folge der Verklärung ihres Herrn. Bisher saßen sie am Markte und haben die teuerste Ware, die Gott diesem armen Leben gegönnt hat, die Zeit nutzlos verstreichen lassen. Seitdem ihr Herr daheim ist, ist ihnen jede Minute eine Gottesgabe – Luk. 19, 13: „Handelt, bis ich wiederkomme.“ Und darum, schreibt der Apostel, werden wir nicht müde. Ob das, was in die Zeitlichkeit hineingestellt ist, verfällt, so wird doch der innere Glaube, mit dem wir der Zeit uns bemächtigen, von Tag zu Tag erneut. Es ist wundersam, wie fortan jeder Christ in der Nachfolge seines Herrn die Zeit ausnützt und wirkt, solange es Tag ist, weil er der enteilenden Zeit eine sich versittlichende Wirkung beimißt, andererseits darum auch sie versittlicht. Die Zeit, ein indifferenter Begriff, wird das, was wir sie werden lassen. Wehe uns, wenn die Stunden, die sich von uns wenden, unbewuchert und unverzinst in die Ewigkeit vorauseilen und uns anklagen, daß wir ihrer nicht gebraucht haben. Wehe uns, wenn die Tage, auch die Tage der sogenannten Ruhe vorübergehen, und unbenutzte Gelegenheiten wider uns klagen. Der hat keine Ewigkeit des Segens zu erwarten, der keine Zeit der Arbeit kennt. Darum lassen Sie uns als Diener des verklärten Herrn und Heilandes unsere Zeit, die flüchtigen Minuten ausnutzen und wissen, er werde, was im Gehorsam seiner Gebote und im Heimweh nach seiner Wiederkunft geschah, nicht ganz verachten!

 Er hat den Raum seiner Kirche gegönnt, daß sie den kleinen Acker, da er sie hingestellt hat, durchgeistige und durchwalte. Es ist neuerdings, auch bei solchen, die es ernst meinen, Gepflogenheit, in die Weite zu blicken. Wenn irgendeine Tätigkeit nicht vielberühmt ist und nicht viele andere Kreise hereinbezieht, erscheint sie als wertlos. Das ist ein Mißtrauen gegen das fernhin tragende und fernhin wirkende Wort Gottes. Je mehr wir gerade den Ort, da uns Gott hingestellt hat, und den Beruf, in dem er uns stehen läßt, innerlich erfassen, desto weitere Kreise dürfen wir ziehen. Je mehr wir im Kleinen Treue halten, desto mehr wird er uns zu einer Kraft werden

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Hermann von Bezzel: Der erhöhte Herr. Furche, Berlin 1914, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Der_erh%C3%B6hte_Herr.pdf/18&oldid=- (Version vom 5.7.2016)