Seite:Hermann von Bezzel - Die Beurteilung der Fleischessünde in unserer Zeit und in der heiligen Schrift.pdf/3

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Die Beurteilung der Fleischessünde in unserer Zeit und in der heiligen Schrift.

 Verehrte Anwesende! Je seltener und spärlicher die Berührungspunkte zwischen den humanitären Bestrebungen und den spezifisch christlichen Wertungen und Unternehmungen sich finden, desto freudiger muß man sie betonen. Daß die Bemühungen um Reinhaltung des Volkscharakters und um Schutz der Volkskraft, diese wahrhaft patriotischen Arbeiten und Mahnungen gegen gefährliche Zeiterscheinungen, den Christen beschäftigen, der nicht aufhören will und kann, der Scholle die Treue zu halten, auf der er erwachsen ist, und im Vollsinn des Wortes ein Weltbürger zu sein, der die Spuren seiner Arbeit, Ernst und Ertrag dem Leben lassen will, das er auf Erden zu vollbringen hat, ist ebenso begreiflich, als er willig anerkennt, was an ernster Treue und gründlicher Arbeit anderweitig geschieht. Die aus der Empirie erwachsenen Warnungen der ärztlichen Wissenschaft, die Temperenz- und Abstinenz-Anregung, die unwiderlegliche Predigt der auf Zahlen und Ziffern sich stützenden Nationalökonomie nehmen wir dankbar an, nicht nur als Bestätigungen ungeschriebener Gottesgesetze, sondern als Stärkung im Kampf und als Bundesgenossen unbestechlicher Art in einer Streitsache, in deren Führung uns Einseitigkeit und unverständige Prüderie vorgeworfen wird. Nur ein Tor kann leugnen, daß die Seuche, die um den Mittag verderbt, weil sie das Frührot des Volkslebens verdüstert, und die Pestilenz, die im Finstern schmeichelnd und listig schleicht, um desto sicherer ihre Opfer zu finden, zu fällen, die Unsittlichkeit im engsten Sinne, die Brutalisierung gewisser Leibesfunktionen in wilder zuchtloser Vergeudung ist, unter der das Empfindungsleben verdirbt und das Willensleben zerstört wird. Neuere Statistiken haben die Summe von 300 Millionen Mark jährlich für zu gering geachtet, um sie als den Sündenlohn vollauf zu bezeichnen, der nur im Werke der Sinnlichkeit geopfert wird, abgerechnet die Unsumme, welche die Bilder und Bücher obszöner Art, alle die Artikel verschlingen, in deren Herstellung die Afterkunst wahrhaft international ist. Was aber in Zahlen ausgedrückt werden kann, ist die geringste Einbuße: Krankenhäuser, Irren- und Blödenanstalten, Gefängnisse und die mit Opfern der geschlechtlichen Krankheiten übersäten Leichenäcker reden in furchtbarer Beredsamkeit: die Sünde ist der Leute Verderben. Als Livingstone