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Aber weil er nicht von Gott zu sich, sondern von sich zu Gott flüchtet, darum ruft er in ihm das Erbarmen wach, das aus dem Zorn sich ablöst, um ihn zu besiegen, und zu ihm zurückkehrt, um nicht schwach zu werden. Es ist im Herzen Gottes das „Erbarmen, das sich wider das Gericht rühmt“: ἔλεος τῆς κρίσεως κατακαυχώμενον (Jak. 2, 13). Biegen wir hier von dem großen furchtbaren Ernste des Gotteszornes ab? So gewiß das Neue Testament, die urkundliche Bezeugung von der Gnadenwirklichkeit in Christo Jesu (Joh. 1, 17), von einem Gott weiß, der ein „verzehrendes Feuer“ (Hebr. 12, 29) ist, so gewiß kennt das Alte Testament in vorahnender Gewißheit die Liebe, die auf einen Schuld und Strafe lädt, damit wir dieser entgehen und jener frei werden möchten.

 Der weitere Ausdruck, der neunundzwanzigmal bei Jesaia, im ersten Teil zwölfmal, im zweiten siebenzehnmal vorkommt, sonst nur fünfmal im ganzen Alten Testament, ist der vom Kadosch, vom „Heiligen“ Israel. Und zwar gedenken wir dabei eines feinen Wortes des Rabbiners Luzzatto: „Der Prophet wie in Voraussicht, daß man ihm den zweiten Teil seines Buches absprechen würde, hat den Gottesnamen: Der Heilige in Israel wie ein Petschaft beiden Teilen aufgedrückt.“

 In den verschiedenartigsten Wechselgängen und Bedeutungen, die alle von dem Grundbegriff der sittlichen Allmacht und schlechthinigen Selbstbestimmung zu sich selbst ausgehen, wird dieser Ehrenname gebraucht, nicht als ob, wie etliche wähnen, der Völkergott erst durch seine ausschließliche Bezogenheit auf Israel heilig bzw. durch dessen Auswahl der Auserwählte würde. Vielmehr ist es Gott in seiner Grundkraft, die sich aber dem Volke Israel so darbietet, daß alle, denen er weiterhin sich lebensvoll kundtut, eben dadurch dem geistlichen Israel eingegliedert werden, in dessen Mitte die Offenbarungsfülle immanent ist (Jes. 10, 17). Gott ist, während das Wesen aller Kreaturen und der gesamte Kosmos die trübe Mischung von Licht und Finsternis ist, absolutes Licht, so machtvoll, daß eine einzige Abschottung, die über ihn hinzöge, sein Wesen aufheben müßte. Weil er sich und was er in sich behauptet, das ist wandelloses, wesen- und wahrhaftes Licht, klar in sich und als Liebe sich erweisend. Denn wenn das Licht nicht communicativum sui, „Mitteilung seiner selbst“ wäre, würde es ersterben. Und als Licht hat er sich Israel erwählt, es zu durchwalten und zu durchklären, mitten in der die Völker bedeckenden Finsternis; wie einst zu Gosen (2 Mos. 10, 23) soll es unter ihm

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Hermann von Bezzel: Die Heiligkeit Gottes. Dörffling & Franke, Leipzig 1916, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_Heiligkeit_Gottes.pdf/15&oldid=- (Version vom 9.9.2016)