Seite:Hermann von Bezzel - Die sieben Sendschreiben.pdf/104

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sondern für sie ist es nicht viel anders als vor 1900 Jahren. Für sie gilt es ebenso jetzt wie vor 1900 Jahren, daß sie nur in gebrechlichem Zelte auf ihren Herrn warten möge. Wir haben ja den Schatz immer in irdenen Gefäßen. Wohl der Seele, die nichts anderes begehrt, als daß durch ihr ganzes Leben hindurch der Christusgedanke leuchte: So spricht der Heilige und Wahrhaftige Gottes. Jesus Christus möchte doch auch bei uns, ehe es Abend wird, ehe es zur Nacht geht, ein ganz und gar ihm zugewandtes Leben sehen. Wir haben davon schon gesprochen in dem Verse: „So nimm denn meine beiden Hände, aufs neue sei dirs zugesagt.“[1] Wir bitten jetzt darum, er möge es doch fügen, daß wir ihm auf Erden auch noch Freude machen können. Er ist es wahrlich wert, daß man um seinetwillen noch sein Bestes tut. Es ist ja etwas Großes, Philadelphia zu sein, Bruderliebe. Wen haben denn wir lieb? Ach, nicht bloß die, welche unserm Herzen nahe sind, sondern auch die wollen wir je länger, je mehr lieben, welche uns so gleichgültig waren. Wo du dein Herz zwingen mußt, glaube, daß der Mensch, gegenüber dem du es zwingen mußt, deiner Liebe am meisten bedarf. Was kann die Liebe Christi alles! Wie dringt sie den Menschen, auch das Schwerste zu überwinden! Und was kann eine, im Dank für seine im Glauben erfaßte Liebe geübte Gegenliebe wirken! Das bleibt uns wohl hoffentlich das Schwerste in unserm Leben, daß es mit der gegenseitigen Liebe so arm steht, daß wir so leicht nach Anläufen ermatten und die Gutmütigkeit für wirkliche Christenliebe halten. O, daß Er noch einmal den Sinn in unsere Herzen geben würde, der ihn zu unserm Heiland gemacht hat, den

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe zum fünften Sendschreiben am Ende.