Seite:Hermann von Bezzel - Die sieben Sendschreiben.pdf/24

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„Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über Wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen. Gehe ein zu deines Herrn Freude!“ (Matth. 25, 21) Und wie ganz anders kommt es doch! Nachdem der Herr in seiner Weise zuerst das Herz der Gemeinde ganz gewonnen hat, wie ein feiner Lehrer, der zuerst lobt und dann tadelt, nicht zuerst tadelt, dann lobt, spricht er aus, was er an ihr aussetzen muß.

 „Aber ich habe wider dich, daß du die Liebe des Anfangs verlassen hast.“ (V. 4) Welch ein Wort, wenn Christus zu einer Seele spricht: „Ich habe etwas wider dich.“ Ist es uns schon schwer, wenn ein geliebter, von uns verehrter Mensch etwas wider uns hat, wie muß es erst klingen, wenn der Herr spricht: „Ich habe“ – nicht „Ich glaube, ich meine, vermute, argwöhne“, – sondern so, wie vorhin „Ich weiß“. Hier ist jede Einbildung ausgeschlossen. Er weiß und er hat.

 Was hat er wider die Gemeinde, die so als Ideal dasteht? Kann er überhaupt, der harte Herr, nicht zufriedengestellt werden? „Ich habe wider dich, daß du die Liebe des Anfangs verlassen hast.“ Es ist mir, als ob ich die Klänge des Hohenliedes hörte: „Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe gäbe, so gälte es alles nichts!“ (Hohelied 8, 7) und St. Pauli Worte: „Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib ins Martyrium und mich ganz hingäbe und mich um Jesu willen verzehrte, und hätte der Liebe nicht, so wäre es nichts.“ (1. Kor. 13, 3). Aber es ist die Liebe des Anfangs, die erste Liebe, dieses Geheimnis, über das Könige und Propheten nachgedacht haben, ohne es zu ergründen. Es