Seite:Hermann von Bezzel - Die sieben Sendschreiben.pdf/79

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und sie kommt ihm immer länger vor, je mehr sie gegen Morgen schreitet, so wie er den ersten Stern begrüßt als Zeichen, daß es nun bald Tag wird, so wie der Morgenstern langsam aufblinkt, wenn die anderen Sterne verschwunden sind und den baldigen neuen Tag verbürgt, so sollen wir durch diese Zeiten gehen.

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 Wunderbare Verheißung für die Treue in der Beschränkung, heilig für Mann und Weib, für jedes Geschlecht, jeden Beruf, jedes Amt. Es ist nicht wohl zu sagen, vielmehr zu empfinden, wie schwer es ist, sich zu beschränken. Wer aber einmal es lernt, da seine Kraft einsetzen, wo seine Beschränkung liegt, wer es lernt, in den Schranken, die ihm Gabe, Stellung und Beruf vorzeichnen, zu arbeiten, wer immer ernstlicher um all das nicht sich annimmt, was nicht zunächst seines Amtes ist, der hat wenigstens bei aller Finsternis den Trost: ich habe sie nicht gesucht, sondern sie ist über mich gekommen. Wer aber eigene Wege sucht, der muß klagen, daß er sich selbst in die Finsternis gestürzt hat. Am Ende aber muß für den Treuen dies Wort als Morgenstern leuchten: „Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen.“ (Matth. 25, 21) Heiden beugen sich zwar nicht vor der Treue, wohl aber vor ihrem Lohn. Das Scheinleben und die Vielgeschäftigkeit und die Zuchtlosigkeit ziehen sich vor der Armseligkeit der Pflichterfüllung zurück, aber sie werden einst erschrecken, wie diese Armseligkeit der Pflichterfüllung reich gemacht hat. Dazu stärke uns der Herr Herz, Mut und Sinn, daß wir in dem Berufe, der uns verordnet ist, mit Ernst arbeiten, nichts anderes suchen noch begehren als was eben unsere Aufgabe ist. „Glaube