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Herrn über ihm, der ihn gesalbt hat, daß er den Gefangenen eine Erlösung, den Gebundenen eine Freiheit, den Müden die Erquickung und den Heimatlosen die Heimat predige und brächte. Das ist ja das eigentliche Geheimnis zwischen Vater und Sohn, daß aus dem herrschenden Geist des Sohnes der leidende, aus dem regierenden der dienende, aus dem besitzenden der verzichtende und aus dem aller Seligkeit mächtigen der um seine eigene Seligkeit ringende Geist wurde.

 „Meinen Geist“. Welche Geschichte hat dieser heilige Jesusgeist hinter sich! Er hat gelernt, da er litt, er hat gelitten um der Sünde willen, er hat gelernt von Sündern. Menschen haben ihren Heiland belehrt und Sünder haben den Heiligen ans Leben gewöhnt. „Er hat an dem, das er litt, Gehorsam gelernt“ (Ebr. 5, 8). Es war ein kindlicher Geist, der zum Mannesgeist heranreifen mußte. Es war ein fragender, forschender, lernender, suchender Geist, der zum Besitz von Gottes Treue herangezogen wurde. Es ist mit einem Wort: der verlernende, um zu lernen und der lernende, um zu verlernen.

 „In deine Hände befehle ich meinen Geist“ – alles, was mich innerlich bewegt, alles, was mich äußerlich verarmt, alles, was mich innerlich erfreut, alles, was mich äußerlich schmerzt und traurig macht, alles, was mich reif macht für die Heimkehr, alles, was mich fremd macht für die Erde, alles, was mich froh in Hoffnung macht und stark in der Geduld, und alles das, womit ich dich, den heiligen Vater, womit ich Welt und Heimat, Fremde und Himmel, Sünde und Friede, Not und Todesüberwindung umfasse, alles befehle ich in deine Hände. Ein sehr starkes und ein sehr hoffnungsreiches Wort!

 In deine Hände befehle ich, spricht der Herr, alles, was ich denke. Und was ist das Großes! Die ganze

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Hermann von Bezzel: Die sieben Worte Jesu am Kreuz. Müller & Fröhlich, München 1918, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_sieben_Worte_Jesu_am_Kreuz.pdf/88&oldid=- (Version vom 1.8.2018)