Seite:Hermann von Bezzel - Die sieben Worte Jesu am Kreuz.pdf/9

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

niemand wollte sie kennen, seine Lasten getragen und niemand konnte sie ihm, ja niemand wollte sie ihm abnehmen und so ward ihm das Leben ernstlich schwer bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze. Über das Leben anderer Helden fällt manchmal der lichte Schein des Erfolges, über sein Leben ist das Weh des Mißerfolges hereingebrochen. Das Leben anderer Großer wird schließlich verklärt, daß man der Ängste nicht mehr gedenkt, sein Leben endet in Angst und unter Gottlosen und Übeltätern ist sein Sterben gewesen. Unverstanden, den Nächsten ein Rätsel, seiner Aufgabe stets eingedenk und ihrer Lösung scheinbar so ferne, erhebt unser Herr jetzt, da sie ihn ans Kreuz erhöhen, seine Stimme und das einzige Wort, das erste Wort, das er vom Kreuz über die Erde hinsendet, die ihm das Kreuz gebracht und in den Himmel emporschickt, der sein Kreuzesleid verursacht hat, heißt „Vater!“ Kein Vorwurf, warum ihn Gott so geführt hat, nicht einmal der Ausdruck des Schmerzes! Den hat er in Gethsemane gebeichtet und erlitten und überwunden. Nun ist sein Wille ganz mit dem des himmlischen Vaters zusammengeschlossen, nicht weil er mußte, sondern weil er wollte. Nun hat er sich ganz in die Wege seines Vaters ergeben, von Herzensgrund all die Sorge und die Not auf sich genommen, die ihn der Vater tragen hieß. Nun hat er das Elend der Welt alles auf sich gezogen und in sich hereingetragen und in sich überlegt. Und aus solch völliger Ergebenheit in des Vaters Wege und Führung spricht er, daß die Welt es hört und die Übeltäter darüber staunen und das Volk unter dem Kreuze sich verwundert: „Vater“.

.

 Wie wären sie jetzt ausgebrochen, wenn er mit Murren und Klagen, mit Streit und Not, mit Widerrede und Widerspruch ans Kreuz sich hätte erhöhen lassen! Wie wäre es ein Triumph des Feindes und Versuchers geworden,

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Die sieben Worte Jesu am Kreuz. Müller & Fröhlich, München 1918, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_sieben_Worte_Jesu_am_Kreuz.pdf/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)