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 Ich antworte mit dem Bescheid, den der alte, dem Tode nahe Paulus seinem Timotheus gibt: Alle Schrift, sagt er, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit. Das Wort ist dir also gegeben erstlich zur Lehre. Ein Bibelchrist ist ein gebildeter Mensch, auch wenn er nicht weiß, wann und wo Rich. Wagner gestorben ist. Ein Bibelchrist ist ein gebildeter Mensch, denn er kennt nicht nur die Zeit und ihre Zeichen, sondern auch die Ewigkeit und ihren Reichtum. Ein Bibelchrist beschämt an persönlichem Takte und an der Gabe mit Menschen zu verkehren und an dem Ernst des Wesens und der Reinheit des Willens viele Tausende, die weit mehr gelernt haben als er. Denn zwischen Unterrichtet- und Gebildetsein ist ein großer Unterschied. Es gibt viele Gebildete, die nicht unterrichtet sind, es gibt aber weit mehr Unterrichtete, die nicht gebildet sind. Siehe, das Wort Gottes ist dir zur Lehre, zur Belehrung geschrieben. Wie soll ich mich in diesem Falle verhalten? Lehre Du mich tun nach Deinem Wohlgefallen! Wohin soll ich heute meine Schritte lenken? Führe mich, o Herr, und leite meinen Gang nach Deinem Wort! Wie soll ich in dieser Frage entscheiden? Zeiche Du mir und tu mir kund, was Dir wohlgefällt! Durch dieses Wort kann ich beten und so ist es mir zur Unterweisung geschrieben.

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 Aber ferner auch zur Züchtigung. Kein Mensch sagt mir wirklich, wie ich bin; die einen über- die andern unterschätzen mich. Von wem man mehr lernt, ist die Frage. Vom Unterschätzen lernt man leicht die Selbstverachtung und von denen, die uns überschätzen, lernt man leicht die Selbstverwöhnung. Wer zeigt mir, was ich bin? Wer sagt mir mit ungeschminktem Ernste, aus dem aber doch die treue Wohlmeinung hervorleuchtet, wie mein Charakter geartet ist? Es ist sein Wort; es hält Zwiesprache mit mir. Es schärft mir den Blick zur Selbstkritik, es gewöhnt mich an mich selbst, der ich so