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gerne mir entweichen möchte, und rastet nicht, bis ich den Mut gefunden habe, meinem Ich ins Auge zu sehen. Das Wort Gottes ist mir gegeben und geschrieben zur Züchtigung, zur Selbstprüfung, zur Selbstschau.

 Und weiter zur Besserung oder, wie es im Grundtext heißt, zur Aufrichtung. Wenn ich ganz darniederliege, die weltliche Traurigkeit mich bedrängt, niemand mich trösten will und ich, weil ich mir selbst ein Greuel bin, den Tag verwünsche, den ich noch durchleben soll, dann tritt leise ins Kämmerlein und legt linde mir die Hand aufs Haupt diese barmherzige Gottesoffenbarung: Fürchte dich nicht, Ich bin bei dir; weiche nicht, Ich bin dein Gott. Sei getrost, Ich habe die Welt überwunden!

 Das Wort Gottes ist mir nicht dazu gegeben, daß ich weltfremd, sondern weltfroh werde, und ist mir dazu geschenkt, daß ich aus der Weltfreude weltmächtig werde und aus der Weltbemächtigung heimkomme. Was für ein Trost ist das: es ist dir gegeben zur Aufrichtung (Besserung übersetzt Luther). Ich kann an diesem Worte mich wieder halten, ich wachse wieder empor, ich finde wieder den Mut, es mit mir zu wagen. Und, Geliebte, was die größte Lebenskunst ist, ich lerne wieder Geduld mit mir selbst haben.

 Und endlich ist es mir gegeben zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, zur rechten Lebensweise, zur Lebensweisheit, daß ich nicht mein Leben in einzelne Fragen zerteile und zersplittere, sondern daß ich eine Lebensanschauung erhalte, eine Lebensanschauung, die sich in die Worte fassen läßt:

Die Erde ist zu reich, des Himmels nur zu warten,
Ihn zu vergessen, ist nicht schön genug ihr Garten.

 Seht, dieses teuere Wort von Gott für mich armen Menschen gegeben zu meines Lebens Heil und Frieden und Segen, sollen wir in Ehren halten und heilig halten, gerne hören und lernen. Überlaßt die Bibelwitze und die Spässe aus der heiligen Schrift und die falschen Zitate