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so gar abseits stellt, vielleicht unter Felsstücken oder Moos verborgen, kaum von einem Strahl der Sonne berührt; doch herrlich grünt und wächst die Pflanze. Und eine andere steht mitten in der Sonne Glut, im heißesten Brand und du siehst, wie ihre Blüte sich erhebt und ihr Blatt sich färbt. Und wiederum bemerkst du, wie in schattiger Verborgenheit die Wurzeln tiefer greifen und die einzelnen Geäder der Pflanze sich seltsamer und herrlicher entwickeln. Und wir loben den Gärtner und wir preisen den Vater.

 Aber nicht bloß von der Vatersorge redet Er, daß es uns ins Herz greift: Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten. Es bricht mir das Herz über dir! – sondern mit mütterlicher Güte, mit der Zartheit, die eben nur des Weibes Wesen aufbringen und erweisen kann, spricht Er durch den Proph. Jes. 66: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet! Die tröstliche Art der Mutter liegt nicht in dem, was sie sagt, sondern in dem, was sie ist. Nur ihre Erscheinung bringt dem weinenden Kinde Frieden; wenn sie nur durch das Zimmer geht, fühlt sich das Kind schon wohl behütet und recht verstanden. Unter all den Augen, die auf des Kindes Antlitz schauen und auf ihm ruhen, wird keines so vom Kinde tiefinnerlich erschaut und erfaßt, wie das tröstliche Auge der Mutter. In diesem Auge liegt für das Kind ein Meer des Trostes, jeder Blick dieses Auges ist ihm Zusprache, tiefinnerliches Verständnis, herzlichste Zugetanheit; und was die Mutter am Kinde nicht versteht, denn jede Mutter erlebt im Kinde ein neues Rätsel göttlicher Gnade, das ahnt, das glaubt, das hofft und das erliebt sie.

 Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet! Welch ein Aufwand erfindsamer Liebe, die alles glaubt und trägt und hofft und duldet, nur damit ein armes, wundes Menschenleben getröstet wird! Welch eine Bemühung erfindsamer