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Gnade, sinnender Sorge, in die Einzelheiten sich liebend versenkende Treue, wenn Gott einen Menschen tröstet! Ach ja, wie manchesmal hast Du mit süßen Worten mir aufgetan die Pforten zum güldnen Freudensaal! Wunderbare Tröstungen Gottes! Ein Lied fällt dir ein und jede Strophe scheint dein Leid zu atmen und zu kennen und jeder Vers bringt gerade das Wort, das du brauchst. Ein Mensch begegnet dir auf dem Lebenswege, in einer Stunde, da du es am wenigsten glaubtest und am meisten brauchtest, und dieser Mensch tröstet dich. Es ist ein altbekanntes Wort, das er dir sagt, aber die Klangfarbe, mit der er’s spricht, und der Ton, mit dem er sich zu dir wendet, der Blick, der das Wort begleitet, sind eine Fülle von Tröstungen. Wie haben alle viel zu großzügige Vorstellung von Gottes Wirksamkeit; wir glauben, daß Gott der Herr ins Große arbeitet, daß Er die Welt regiert, die Völkergeschicke lenkt, in die Geschichte und ihre Entwicklung eingreift mit gewaltiger Hand, seine Fäden gar machtvoll durchs Gewebe der Menschenwerke und des Menschenwillens zieht; aber wir vergessen viel zu häufig, daß die ganze Größe Gottes in der Filigranarbeit persönlicher Tröstung und persönlicher Sorge ruht und daß Gott nirgends größer ist, als in den Scheidemünzen, die Er in verschwenderischer Treue auf den Weg ausstreut und in all den Kleinigkeiten, mit denen Er all deine Kleinlichkeiten hebt und heilt, wendet und endet. „Wie einen seine Mutter tröstet.“ Vielleicht wie dort die weinende Witwe ihrem wiedergeschenkten Sohne begegnet und wie wiederum das Weib weinte, als ihr Kind ihm genommen ward. Seht, darum also steht das vierte Gebot so an der Schwelle des Menschentums, so an der Pforte deiner Menschenpflichten, weil in väterlichem Tun und mütterlicher Treue Gott seines Tuns Abbild sieht. Das ist der eine Grund. Und der andere ist: weil Gott in ganz unbegreiflicher Weise in Vater