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und Mutter seine Stellvertreter bestellte. Er, der nicht von Engeln und Heiligen, sondern von Armen und Sündern dargestellt sein will, wie Er ja in einem Menschen Gestalt nahm und gewann, hat in dem Verhältnis von Mann und Weib, in den Beziehungen von Vater und Mutter sein ganz bestimmtes Geheiß gegeben, daß man in ihnen seinen Befehl ehre. Es liegt auf Vater und Mutter, nicht auf dem frommen Vater und der gottseligen Mutter allein, sondern auf Vater und Mutter ein Abglanz des göttlichen Segens. Und darum also sollen Vater und Mutter geehrt werden; nicht wie sie sind und wie sie sich geben, sondern weil sie sind von Gott gewürdigt und bevollmächtigt.

 Laßt mich nun bei dieser sehr schweren, im praktischen Leben so eingreifenden Frage eines und das andere betrachten.

 Zuerst: warum heißt es denn nicht: du sollst deine Eltern ehren? Weil Gott der Herr in der Ehe keine Überordnung oder Unterordnung nach der Richtung kennt, daß man den Vater vielleicht mehr ehre als die Mutter oder die Mutter mehr liebe als den Vater. Unsere moderne Erziehung besteht eigentlich in einem Unrechten Wetteifer der Eltern um die Liebe des Kindes. Die Mutter muß frühzeitig das Kind verwöhnen, damit das Kind immer der Mutter anhängt. Das erscheint in unsern Tagen als Krone der Erziehung, daß die Mutter das Kind nicht weinen sehen will und ihm darum alle kindlichen Anschläge erfüllt und alle kindischen Wünsche befriedigt. Es ist ein Jammer, wie die Mütter ihre Kinder nicht bloß verziehen, sondern betören und anlügen. So lange die Kinder klein sind, wird ihnen jeder kleine Wunsch erfüllt; mit der wachsenden Begierde sucht die Mutter auch die wachsenden Wünsche zu befriedigen, damit das Kind seiner Mutter nie gram wird. Und wenn nun der Vater merkt, wie die Mutter das Herz des Kindes einnimmt, sucht er mit größeren Gaben