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Denn die Kinder, denen in der Jugend nichts versagt wurde, können, wenn sie herangewachsen sind, sich selbst nichts versagen, sondern müssen alles durchkosten, erfahren, erleben und schmecken. Und zu denen, die als Kinder ihren Willen nicht brachen, noch sich brechen ließen, gesellt sich der alte Feind, spiegelt ihnen Dinge vor, die nur in ihrer kranken Phantasie Wirklichkeit sind, und wenn sie die Wirklichkeit erlangen, ist es Verderben. Luther sagt einmal: In der Schwachheit der Eltern leben Schlangen, Skorpionen, allerlei Unrat der Hölle. Und dem ist auch so. Die Mutter, die die Naschhaftigkeit ihres Mädchens leicht trägt, soll sich nicht wundern, wenn später die herangewachsene Jungfrau in törichten Romanen, in schlechter Lektüre herumnascht, bis schließlich furchtbare Sättigung in Schande und Schmach erfolgt. Seht, so erzieht man zu schwach. Man sollte aber lieber auf die Liebe verzichten, als dem Willen nachgeben. Wehe den Eltern, die vergessen, daß man sich an seinen Kindern Hölle und Himmel erwerben kann! Wehe den Eltern, die dem Kinde nicht nachgehen, sondern ihm nachgeben! Und wenn jetzt so viele Eltern sich ihrer Kinder bald entäußern und sie in fremde Hände geben, während sie die Berufenen, ja Erstberufenen zur Erziehung sind, so ist das eben die Frucht: die Kinder sind ihnen über den Kopf gewachsen und Fremde sollen nun das Unkraut ausreuten, das der Mutter Schwachheit und des Vaters Lauheit gesät haben.

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 Erziehe durch dein Wort! Dein Wort sei wahr! Die Kinder müssen wissen, daß nicht rechts, noch links gesehen wird, wenn dieses Wort gesprochen ist. Ich muß sagen, ich gedenke jetzt, wo längst die Tage meiner Jugend hinter mir liegen, noch mit Dank meiner Eltern, daß sie mich zur Pünktlichkeit erzogen haben. Und noch jetzt, wenn ich zwei Uhr schlagen höre, ist es mir, als müßte ich bei der Arbeit sitzen, so war ich es von früh auf gewöhnt.