Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/139

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

doch sind mir die Dienstherren noch würdiger, die hart und streng mit ihren Dienstboten sind, als die, die ihrer Seele Verrat sind. Es sind schauerliche Zustände, wenn in Christenhäusern den Dienstboten zur unumschränkten Benützung die Schlüssel ausgehändigt werden; oder wenn die Lektüre, die ins Haus kommt, den Dienstboten zur Verfügung steht, ob sie nun geraten oder ungeraten ist; oder wenn man nie darnach frägt, ob der Dienstbote auch einen Sonntag hat, sondern ihn, eines leckeren Mahles wegen, am Sonntag erst recht lange in die Küche bannt und ihm dann vielleicht abends noch ein paar Stunden zweifelhaften Vergnügens und der Freiheit gönnt. Und warum frägt die Herrschaft nie nach der Ausfüllung der freien Zeit ihrer Dienstleute? Warum sucht sie nicht die Seele ihrer Dienstboten sich zu erschließen, indem sie an deren Sorgen und Leiden, doch auch an ihren Freuden Interesse zeigt und teilnimmt?

.

 Wie aus dem Märchenreiche mutet es uns an, wenn wir von Dienstboten hören, die 20, 30 Jahre lang in einem Hause dienten, gute und böse Tage treulich miterlebt und mitgemacht haben. Und doch, wenn dieses Geschenk nicht wiederkehrt, so ist eine Grundsäule des Hauses geborsten und gefallen. Und nun ein letztes Wort denen, die zu erziehen haben. Augustin hat einmal das feine Wort gesprochen: Über jeder Schule, über jedem Lehrsaal, über jedem Raum, wo erzogen wird, sollte das Wort geschrieben stehen: Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb! Wer launisch ist, kann nicht erziehen; über Launen kann weder Gabe noch Geschick zum Erziehen hinweghelfen oder diesen Nachteil ausgleichen. Bei wem das Kind erst studieren muß, ob seine Züge auf heiter oder Unwetter deuten, hat das hohe, majestätische Recht: Weide meine Lämmer! verwirkt und verloren; der kann wohl Kinder abrichten, kann ihnen allerlei Kenntnisse und Fertigkeiten beibringen, kann sie