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hohe Erkenntnis: wir wissen nicht und werden nie wissen! Das sind die, die einst am Konfirmationsaltar der Kirche Jesu Christi und ihrem Bekenntnis Treue gelobten und versprachen, des Evangeliums sich nicht zu schämen. Das sind die, die noch in späteren Jahren ein- oder das andermal das Herz erglühen spürten, wenn Christus ihnen die Schrift erschloß. Und nun ist es vorüber; mit der Autorität ist die Pietät zu Grabe getragen. Man schämt sich, einmal fromm im Sinne der Kirche oder richtiger im Sinne Jesu Christi gewesen zu sein.

 Seht, das vierte Gebot wendet sich mit dem ganzen Ernste der Buße an uns alle. Die ihr über den Verfall der Volkssitte und des Volksglaubens klagt, was tut denn ihr in euerem Herzen, um die ewigen Grundfesten zu erhalten? Die ihr über den sinkenden Wert ewiger Güter Klage führt, was ist denn euch das Kreuz und Gottes Treue bedeutsam und wert? Ihr redet von dem Hinfall der Sitte und Zucht: der Sohn ehrt nicht mehr den Vater und der Sohn schämt sich seines Vaters und die Tochter ihrer Mutter; durch das Haus geht der finstere Geist der Verneinung und jene Toren reden davon, daß sie ihre Eltern erziehen müssen und sie endlich sich von den übererbten Vorurteilen frei machen müßten, ja, warum, ihr Erwachsenen, fangt ihr nicht die Reformation an euren eigenen Seelen an? Und ihr redet von Zucht- und Sittenlosigkeit beim Volk und wie viele von euch lesen allwöchentlich das Gemeinste in den zersetzenden und zerstörenden Witzblättern? Und welches Gerede wird in hohen und hochgebildeten Kreisen geführt, dessen praktische Auswertung auf der Straße Unzucht und Sittenlosigkeit bedeutet! Noch einmal: das vierte Gebot ruft uns zu: bauet die Säulen von unten aus, geht auf den Grund des Übels! Gerechtigkeit erhöhet ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben.