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Nächsten Leib beschädigt und mit roher Faust seine Gesundheit gefährdet. Wieviel Verbrechen der Rauheit und Roheit, wieviel Untaten zeigen uns, daß die Menschen immer mehr vergessen, im Leibe des Nächsten trete ein Wunderbild göttlicher Erbarmung ihnen entgegen. So entstellt ist kein Menschenbild, daß dir nicht in ihm sein heiliger Schöpfer entgegentrete, so verkommen ist kein Menschenantlitz, daß nicht von der Stirne der Adel des göttlichen „Werde“ leuchte. Es begegnet uns jetzt wohl manchmal eine Menschengestalt, die durch Verirrung des Geschmackes und durch Verkennung der göttlichen Ordnung ihr Antlitz entstellt und verunziert hat. Aber wer noch glaubt, daß in jedem Menschenantlitz Gott ein Meister- und Musterwerk vollbracht hat, und wer in des Menschen armen Auge und in seiner ganzen Gestalt etwas von der Majestät dessen, dessen Herrlichkeit die Welt erfüllt, erschaut, der wird sich hüten, mit harter Hand und rauher Faust dieses Bild zu zerstören.

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 Aber, wie kein Gebot von dem andern gelöst werden kann, sondern jedes in innerem Zusammenhange mit den andern steht, so hängen alle die Sünden der Trunkenheit, der Bitterkeit, des Unfriedens mit der Verletzung des fünften Gebotes zusammen. Schwer belastet durch Wildheit und Gier des sechsten Gebotes verunehrt der Mann das Weib seiner Jugend, schlägt es zu Boden, züchtigt es unmäßig und zerbricht sich selbst die Ehre, indem er die Gefährtin seines Lebens so entwürdigt. In der Heftigkeit und Leidenschaft züchtigt wohl ein Vater seine Kinder, mißhandelt eine Mutter das Wesen, dem sie das Leben hat geben dürfen. Es hat mich selten in der fast unübersehbaren Menge von Vereinen einer so bis ins Mark getroffen, wie der neuerdings entstandene „gegen Kindermißhandlung“. Wie weit ist’s mit der Christenheit bereits gekommen, wenn sich Vereine bilden, um arme, schutz- und rechtlose Kinder, hilflose Kreaturen, vor dem Ungestüm und der Roheit der