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Eltern zu schützen! Wie weit hierbei übertriebene Humanität hereinspielt, ist hier nicht zu erörtern. Neben dieser Roheit aber, welche die Faust regiert und die Hand zum Mörder des Nächsten macht, zeigt uns Luther die Schärfe des Wortes. „Daß wir unserm Nächsten kein Leid tun.“ Siehe, du hast vielleicht achtlos über deinen Nächsten ein Urteil gefällt, hast dieses Urteil einem guten Bekannten anvertraut, der sagt es weiter, gibt das Seinige noch dazu, das Urteil wächst, lawinenartig schwillt das Unheil an und was du mit leichter Hand, wie eine Schneeflocke vom Baume abgestreift, geht in wenigen Tagen als eine das Lebensglück und die Lebensfreude deines Nächsten begrabende Lawine nieder. Nun sprichst du wohl: so war es nicht gemeint, das habe ich nicht gewollt! Aber dein Bruder und deine Schwester seufzen und grämen sich darüber. Du hast ihre Ehre angetastet und ihnen an ihrem Leben ein Leid getan. Wenn wir das immer bedächten. Wie wir, gedankenlos ein liebloses – nicht ein scharfes – ein liebloses Urteil über unsern Nächsten abgebend, eine Gewalt entfesseln, die des Nächsten Haus und Leben begraben kann, o, so würden wir an uns halten und sprechen: Verzeihe ihm die verborgenen Fehler und mir die Lust, diese Fehler hervorzukehren und fälschlich zu rügen! – Ich rede wahrhaftig nicht dieser Schwächlichkeit das Wort, welche das Unrecht für gut und alles Gemeine für schön, alles Unedle für groß erachtet und erklärt. Ich kenne als ein Diener der Wahrheit nichts von dieser armseligen Humanität, welche den Bruder, der da in die Hölle fährt, nicht warnt, ihn ruhig am Abgrunde wandeln läßt, statt zu rufen: Halte still, mein Bruder!

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 Sehet wohl zu, daß euer Wort euerem Nächsten an seinem Leibe kein Leid tue! Unsere Väter haben von einem „sich krank ärgern“ geredet. – Siehe, du gehst vorbei an dem Gehege deines Nächsten, da hat er