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Willst du das Wort ungesprochen lassen? Geizest du nach dem Ruhme der sogenannten Güte: nie traf mich aus seinem Munde ein hartes Wort! Ist das dein Größtes, das Größte, was ein Mensch erstrebt, erlebt, ersehnt? Und so gibt es vieles, was du durch ein ernstes, christliches Wort fördern könntest und so am körperlichen Leben deines Nächsten fördernd wirktest.

 Unsere Zeit hat vortreffliche Anstalten gegründet. Aber indem die Gemeinschaft diese Anstalten gründete, baute und einrichtete und erhält, hat der einzelne seine Christenpflicht an die Gemeinschaft abgegeben und auf sie gelegt und das ist nicht recht. Du kannst mit deiner Tat viele fördern, viele auch in ihrem leiblichen Leben. Wie wäre es, wenn du selbst streng gegen dich im äußeren Leben, enthaltsam in Speise und Trank, anderen dadurch unwillkürlich Hilfe bötest? Ich gehöre nicht zu den Leuten, die der völligen Enthaltsamkeit von alkoholischen Getränken unter allen Umständen das Wort reden. Ich erblicke aber in der jetzt in den Reihen unserer Jugend zum Durchbruch kommenden antialkoholischen Bewegung recht Erfreuliches. Doch kann ich mir nicht verhehlen, daß diese Enthaltsamkeit, wie sie auch bei unseren jungen Geistlichen floriert, mir wie eine Abschlagszahlung gegen höhere Pflichten vorkommt. Dagegen ist mir das Wort eines Pfarrers: ich könnte nie auf die Trinker in meiner Gemeinde einwirken, wenn ich mich nicht selbst des Trinkens völlig enthielte! tief gedrungen und edel erschienen.

 Du merkst, daß deine Schwester, die mit dir lebt, von der oder jener Speise so hingenommen ist, daß sie die heilsame Maßhaltung vergißt. Nimm die Speise und verzichte auf sie, damit du deiner Schwester Willen dadurch stärkst. Man merkt daraus, daß manches an sich Unverfängliche zum Schaden unseres Nächsten dienen kann und wir alsdann durch unsere ernste Willenstat ihn leiblich fördern und aus der Gefahr bringen können.